Magazin für unabhängiges Kino
Filmwecker
Filmnotiz

Neue Notiz

Once upon a Time ... in Hollywood.

Kollektiver Rausch

Auch wenn die Manson-Morde als Aufhänger dienen: In Tarantinos ONCE UPON A TIME...IN HOLLYWOOD geht es weniger um Charles Manson, Sharon Tate und Roman Polanski als um den Mythos von Hollywood.

Mehr

Nach Adolf Hitler nun also Charles Manson? Schreibt Quentin Tarantino erneut die Geschichte um? Wird er die Manson-Familie auf seine typische Art, also auf möglichst brutale, exzessive Weise in einem Kugelhagel erledigen? "Ja und Nein" ist die Antwort, denn auch wenn ONCE UPON A TIME...IN HOLLYWOOD natürlich in einem Gewalt-Exzess endet – und das zu verraten ist angesichts der Filmografie von Tarantino wahrlich kein Spoiler – geht der genialische Autor und Regisseur erstaunlich sensibel mit dem brutalen Mord an Sharon Tate und ihren Freunden um, der sich an einem verhängnisvollen Abend am 8. August 1969 im Haus von Roman Polanski am Cielo Drive, hoch in den Hügeln Hollywoods ereignete.
Obwohl der neunte und möglicherweise vorletzte Film von Quentin Tarantino seit den ersten Berichten als sein „Manson Film“ bezeichnet wurde, geht es hier weniger um Manson, Tate und Polanski, auch nicht um die von Leonardo DiCaprio und Brad Pitt gespielten fiktiven Charaktere, den Schauspieler Rick Dalton und Stuntman Cliff Booth: Der Hauptdarsteller dieses Films heißt Hollywood. Wobei man vielleicht genauer sagen sollte: Ein Mythos, ein Klischee von Hollywood, so wie es in der Wirklichkeit wohl nie existiert hat, sondern wie es der junge Tarantino, der 1969 fünf Jahre alt war und gerade nach Los Angeles gezogen war, wahrgenommen hat.

Die lose Handlung von ONCE UPON A TIME...IN HOLLYWOOD, spielt an drei Tagen, am 8. und 9. Februar 1969 und genau ein halbes Jahr später, am 8. August. Im Februar ist Rick Dalton noch ein abgehalfterter Schauspieler, der vor Jahren in einem Western-Serial große Erfolge feierte, aber nun auf dem absteigenden Ast ist. Sein ständiger Begleiter ist Cliff Booth, der früher Ricks Stuntman war, nun jedoch als eine Art Mädchen für alles fungiert. Während Cliff allein mit seinem Hund in einem Wohnwagen, im Schatten eines Drive-In-Kinos wohnt, lebt Rick in den Hollywood Hills, genauer gesagt am Cielo Drive. Seit einigen Monaten hat er neue Nachbarn: Der Starregisseur Roman Polanski und seine junge Frau Sharon Tate (Margot Robbie) sind eingezogen und genießen das Leben zwischen Palmen und mondänen Partys. Rick bekommt dank des umtriebigen Agenten Marvin Schwarz (Al Pacino) das Angebot, in Rom einen Spaghetti-Western zu drehen, Cliff läuft derweil immer wieder ein junges Hippie-Mädchen (Margaret Qualley) über den Weg, dem er schließlich einen Lift gibt. Es geht zur ehemaligen Western Stadt „Spahn's Movie Ranch“, wo sich inzwischen eine Hippie-Clique eingenistet hat, angeführt von Charles Manson (Damon Heriman).

ONCE UPON A TIME...IN HOLLYWOOD bewegt sich zwischen den letzten Momenten des Sommers der Liebe und dem unweigerlichen Ende der Illusion, und Tarantino schwelgt förmlich in Bildern und Tönen einer untergegangenen Ära. So sehr wie lange nicht mehr verlässt er sich nicht auf seine Fähigkeit, Dialoge zu schreiben (die ja ohnehin nicht mehr so ausgeprägt ist wie vor 25 Jahren, zu seligen PULP FICTION-Zeiten), sondern erzählt visuell. Da fährt man etwa in einer minutenlangen Einstellung mit Polanski und Tate im Cabrio durch die Hollywood-Hügel zur Playboy-Mansion, wo Stars wie Steve McQueen feiern und Bunnies ausgelassen tanzen. In leuchtenden Farben evoziert Tarantino die Ära als kollektiven Rausch, der in der Realität durch die Manson-Morde und die etwas späteren Ereignisse auf dem Altamont-Speedway ein düsteres Ende fand. So kann Tarantino seinen Film natürlich nicht enden lassen, der nicht umsonst nach der Märchen-Formel „es war einmal“ benannt ist. Mit der Realität hat ONCE UPON A TIME...IN HOLLYWOOD dementsprechend nur bedingt zu tun. Tarantino zeigt stattdessen die schönere Vision einer Welt, die vielleicht hätte sein können.

Michael Meyns

Details

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.