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Nymphomaniac

Ich heiße Joe und ich bin Nymphomanin

Die Nymphomanin Joe (Charlotte Gainsbourg) erzählt einem Fremden mit Namen Seligman (Stellan Skarsgård) ihre Lebensgeschichte in acht Kapiteln, die diesen zu grotesken bildungsbürgerlichen Überlegungen anregt. Teil I schildert ihren Werdegang als Nymphomanin, Teil II ihren Absturz in immer tiefere Dunkelheit.

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Mit dem Zweiteiler NYMPH()MANIAC, der eigentlich als Einteiler konsumiert werden sollte, hat Lars von Trier sein bisher schillernstes Werk vorgelegt. Im Vorfeld als „Arthouse-Porno“ vermarktet verbindet NYMPH()MANIAC die episodische Struktur und die explizite Darstellung von Sex wie sie in Pornos üblich sind mit augenzwinkernden philosophischen Überlegungen, bildungsbürgerlichen Referenzen, politischen Statements, die direkt aus dem Mund des Autors zu stammen scheinen und einer Geschichte, in der es ums Ausgeschlossen sein und Angenommen werden geht. Die Geschichte hat die Form einer Beichte: zu Beginn findet der asexuelle Jude Seligmann (Stellan Skarsgård) die Nymphomanin Joe (Charlotte Gainsbourg) in einer Gasse in der Nähe seiner Wohnung. Er nimmt sie mit nach Hause und sie beginnt zu erzählen. In acht Kapiteln, die Namen tragen wie „The Compleat Angler“ oder "The Eastern and the Western Church (The Silent Duck)" berichtet sie von ihren frühesten sexuellen Erfahrungen, ihrer Entjungferung, ihrer großen Liebe, ihren Experimenten mit anonymem Sex, multiplen Lovern und Sadomasochismus. Sie erzählt von ihren Versuchen, der Sucht zu entkommen und von ihrer immer radikaleren Abkehr von der Gesellschaft. Während der erste Teil, der fünf Kapitel umfasst, sehr episodisch gehalten ist und distanziert amüsiert wirkt, sind die drei Kapitel des zweiten Teils, die Joes Weg in immer tiefere Verderbnis beschreiben, länger und intensiver auserzählt. Sie sind dunkler aber auch anteilnehmender. Während Joe berichtet, hört Seligman zu, vergibt und tröstet und findet noch in den größten Perversionen bizarre Analogien, die Joes sexuelle Erlebnisse mit Fliegenfischen, polyphoner Musik und dem Schisma des Christentums vergleichen.
Mal scheint das alles bitterernst, mal satirisch, mal wie ein Experiment, in dem die Zuschauer das Versuchskaninchen sind. Immer wieder enttäuscht von Trier mit voller Absicht die Erwartungen, springt zwischen den Genres umher und dreht den Kritikern eine Nase. Als Ganzes ist NYMPH()MANIAC kaum zu fassen und will es auch gar nicht sein. Kaum denkt man, man hätte einen Angelpunkt gefunden, macht der Film etwas Neues, dass der bisherigen Theorie widerspricht. Und der Autor selbst schweigt sich aus. Seit Lars von Trier in Cannes 2011 in einer Pressekonferenz nach dem Einfluss nationalsozialistischer Ästhetik auf MELANCHOLIA gefragt wurde, den versammelten Journalisten pampig ein „Ok, ich bin ein Nazi“ vor die Füße warf und in Folge aus dem Garten Eden verwiesen wurde, verweigert er jede Auskunft über seine Arbeit.

Hendrike Bake

Details

Originaltitel: Nymphomaniac: Volume II
Deutschland/ Dänemark/ Frankreich/ Großbritannien/ Belgien 2013, 130 min
Sprache: Englisch
Genre: Drama
Regie: Lars von Trier
Drehbuch: Lars von Trier
Kamera: Manuel Alberto Claro
Schnitt: Molly M. Stensgaard
Verleih: CONCORDE CR-T
Darsteller: Charlotte Gainsbourg, Uma Thurman, Stellan Skarsgård, Willem Dafoe, Jamie Bell, Connie Nielsen, Jean-Marc Barr, Shia LaBeouf, Michael Pas, Stacy Martin, Mia Goth, Ananya Berg
FSK: 16
Kinostart: 03.04.2014

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IMDB

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