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Nirgendland

Dokumentation einer Tragödie

In ihrem schwer zu ertragenden Dokumentarfilm NIRGENDLAND erzählt Regisseurin Helen Simon von einem Missbrauchsfall, der sich über Generationen zieht. Sie stellt Fragen nach dem Umgang mit Missbrauch in der eigenen Familie, nach Verantwortung, Verdrängung und Schuld und lenkt danach den Fokus auf den juristischen Umgang mit Missbrauchsopfern.

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Langsam nähert sich die Kamera dem Einfamilienhaus, die schleichende Bewegung, die den Blick der Zuschauer lenkt, verheißt nichts Gutes. Auf den ersten Blick repräsentiert dieses beschauliche Zuhause vielleicht das perfekte Idyll, doch hinter den Wänden fällt diese Illusion in sich zusammen und offenbart eine ungeheuerliche Familientragödie, die sich durch Generationen zieht. Tina erzählt zunächst erstaunlich gefasst und reflektiert von ihrem Schicksal, dem Missbrauch durch ihren Vater, dem sie seit frühester Kindheit schutzlos ausgeliefert war, den sie über sich ergehen hat lassen und lange verdrängt hat, weil sie ihn nicht wahrhaben und sich ebenfalls der Illusion von der vollkommenen Familie hingeben wollte. Als sie selbst Mutter einer Tochter wird, will sie alles besser machen und ist dabei blind für das Offensichtliche, denn der Täter vergreift sich auch an seinem Enkelkind. Tinas scheinbar so lebensfrohe Tochter Sabine verschweigt den Missbrauch ebenfalls, flüchtet schließlich in Drogen und Prostitution. Erst in der Therapie kann sie sich ihrer Mutter anvertrauen. Beide beschließen, den Teufelskreis zu beenden und ihren Vater und Großvater vor Gericht zu bringen. Als dieser freigesprochen wird, nimmt sich Sabine das Leben. Regisseurin Helen Simon konterkariert in ihrem schwer auszuhaltenden Dokumentarfilm NIRGENDLAND die persönlichen Berichte der Mutter und die nüchtern vorgetragenen Protokolle der Gerichtsverhandlung. Damit stellt sie zunächst Fragen nach dem Umgang mit Missbrauch in der eigenen Familie, nach Verantwortung, Verdrängung und Schuld und lenkt danach den Fokus auf den juristischen Umgang mit Missbrauchsopfern. Ein Film, der nicht verdaulich ist, nicht verdaulich sein soll, der beschäftigen will und muss, weil wir viel zu häufig wegschauen oder uns vom scheinbaren Idyll täuschen lassen.

Jens Mayer

Details

Deutschland 2014, 72 min
Genre: Biografie, Dokumentarfilm
Regie: Helen Simon
Drehbuch: Helen Simon
Kamera: Carla Muresan
Schnitt: Nina Ergang
Musik: Konstantin von Sichart
Verleih: Basis-Film Verleih
FSK: 16
Kinostart: 02.04.2015

Website
IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

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