Neue Notiz
Niemand ist bei den Kälbern
Stillstand und Sommerhitze
Mecklenburg, Sommer. Christin hat ihre Probleme, sich langfristig mit einem Leben zwischen Kirschlikör und Kuhstall zu arrangieren.
Auf dem Land herrschen andere Regeln, so viel steht mal fest. Und nicht jeder ist dafür gemacht. Auch Christin (Saskia Rosendahl) hat ihre Probleme, sich langfristig mit einem Leben zwischen Kirschlikör und Kuhstall zu arrangieren. Erst recht, da die Beziehung zu ihrem Freund Jan (Rick Okon) auch längst nicht mehr ist, was sie mal war. Gemeinsam und doch jeder für sich allein leben die Beiden auf dem Bauernhof seiner Eltern in der Mecklenburgischen Provinz und schweigen sich gegenseitig an. Sie sind kaum Mitte zwanzig, aber viel mehr, so scheint es Christin zumindest, kommt da nicht mehr, wenn sie jetzt den Absprung nicht schafft. Vielleicht macht auch die Sommerhitze alles noch ein bisschen schlimmer. Jedenfalls bringt ihre Begegnung mit dem älteren Windkraftingenieur Klaus (Godehard Giese) aus Hamburg bei ihr so Einiges ins Rollen, bekommt ihre Sehnsucht nach Freiheit und Liebe einen neuen Ruck, ohne dass Christin an ihrer Situation tatsächlich etwas ändern kann, will oder muss.
Worauf sich die Regisseurin Sabrina Sarabi in ihrer klug beobachteten Charakterstudie konzentriert, ist die Unfähigkeit ihrer Protagonistin, mit den ungeschriebenen Gesetzen des Landlebens zu brechen. Christin will weg, aber rennt auf der Stelle, will unabhängig sein und kann sich doch nicht lösen, weil sie schon viel zu sehr verwurzelt ist in einer Welt, in der die Geschlechterrollen festgefahren, jeder Tag gleich und die Tiere (oder ist es doch der Alkohol?) ihre besten Freunde sind. Allein Saskia Rosendahl hat dieses erwachsene Mädchen im Griff. Sie hat den Trotz im Blick, den gleichgültigen Ton der Zu-Kurz-Gekommenen und dennoch dringt aus jeder Pore ihrer sonnengebräunten Haut die Einsamkeit und Gebrochenheit ihrer Figur. Es ist eine große Rolle in einem kleinen, aber beachtlichen Film, für den die Schauspielerin in Locarno als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde.
Originaltitel: Niemand ist bei den Kälbern – No One's with the Calves
Deutschland 2021, 116 min
Genre: Drama
Regie: Sabrina Sarabi
Drehbuch: Sabrina Sarabi
Kamera: Max Preiss
Schnitt: Heike Parplies
Musik: John Gürtler
Verleih: Filmwelt Verleihagentur
Darsteller: Saskia Rosendahl, Rick Okon, Enno Trebs, Elisa Schlott, Godehard Giese
FSK: 16
Kinostart: 20.01.2022
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