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Nackte Tiere

Solidarische Hoffnungslosigkeit

Die Schüler Katja, Sascha, Benni, Schöller und Laila leben in der Nähe Berlins. Die meisten Eltern sind abwesend, sie sind auf sich allein gestellt. Rohes, brutals Coming-of-Age-Drama.

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Am Ende dieses Winters und des folgenden Frühlings steht vielleicht ein sonniger Sommer, jener nach dem Abschluss der Schule, in dem sich Wege trennen und Entscheidungen fallen. In den Momenten aber, die NACKTE TIERE zeigt, ist für eine Gruppe Jugendlicher alles grau mit nur wenigen Farbflecken: Dunkel und verhangen ist das Licht an dem Ort, an dem die fünf Teenager leben, bunt sind nur die Schlafsäcke und Decken, die in ihrer geteilten Wohnung liegen.
In Melanie Waeldes beeindruckendem Debüt, das im Februar in der neuen Encounters-Sektion der Berlinale lief, geben Licht und Bild die Verletzlichkeit ihrer Figuren umso mehr preis: Katja, Sascha, Benni, Schöller und Laila leben an einem nicht genannten Ort in der Nähe Berlins. Die meisten Eltern sind abwesend, die Jugendlichen sind auf sich allein gestellt und bewegen sich zwischen Schule, Jiu-Jitsu und Kiffen in solidarischer Hoffnungslosigkeit zueinander. Ein heruntergekommenes Apartment dient als gemeinsames Zuhause. Hier teilt man Betten und die Badewanne, nicht aber sein Inneres.
Wie Tiere ohne Fell sind sie abhängig vom Schutz der anderen, von der Wärme um sie herum. Katja (Marie Tragousti), Mittelpunkt der Gruppe, aus deren Perspektive erzählt wird, ist von ihrer eigenen Kraft immer wieder überfordert. Gefühle werden hier in Körpern ausgedrückt, Sprache ist schwierig: Sie alle tragen Verletzungen in sich, vom Ringen unter Freunden, aus Unfällen, Missbrauch oder Traumata. Das Standardformat von 3:2 erzwingt eine körperliche Nähe, der die Jugendlichen emotional nicht gewachsen sind. Dieses Coming-of-Age ist roh und brutal. Gewalt lauert überall.
Sammy Scheuritzel, Luna Schaller, Paul Michael Stiehler, Michelangelo Fortuzzi und Marie Tragousti gelingt es, anhand weniger Sätze und durch umso mehr Ungesagtes die Verwahrlosung und den dringenden Wunsch nach Liebe zu spielen. Diese nackten Tiere haben zumindest ihre Herde.

Lili Hering

Details

Deutschland 2020, 83 min
Genre: Drama
Regie: Melanie Waelde
Drehbuch: Melanie Waelde
Kamera: Fion Mutert
Schnitt: Jessica Schneller, Facundo Nahuel Sanchez
Verleih: déjà-vu film
Darsteller: Marie Tragousti, Sammy Scheuritzel, Michelangelo Fortuzzi, Luna Schaller, Paul Michael Stiehler
FSK: 12
Kinostart: 17.09.2020

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Vorführungen

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