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Nachthelle

Doppelgänger in Brandenburg

Anna und Stefan aus Berlin treffen in Annas Heimatdorf, das bald vom Tagebau verschluckt werden soll, auf Annas schwulen Ex-Freund Bernd und dessen Partner. Allmählich bahnt sich das Unheimliche den Weg an die Oberfläche, während die Bagger näher rücken.

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Anna und Stefan, ein Pärchen aus Berlin, fahren mit ihrem roten Cabrio durch die brandenburgische Pampa. Der Song im Radio suggeriert Unbeschwertheit, während sie die kopfsteingepflasterte Hauptstraße eines verlassenen Dorfes entlang fahren, in dem die Zeit irgendwann vor der Wende stehen geblieben ist. Draußen herrscht eine düstere Stimmung wie nach einer Zombie-Apokalypse. Am Wegrand grast ein Hirsch, eine alte Frau mit zerzaustem Haar grüßt vor ihrem verfallenen Lebensmittelladen. Von der Zivilisation in die Vergangenheit: Nach allen Regeln der Kunst zitiert die Anfangsszene von NACHTHELLE hier die Ikonografie von Backwoods-Filmen. Doch erst einmal treffen die beiden in Annas Geburtshaus auf deren mittlerweile homosexuellen Ex-Freund Bernd samt neuem Partner. Im Dorf ihrer Kindheit, das für den näher rückenden Tagebau dem Erdboden gleichgemacht werden soll, werden schmerzhafte Erinnerungen und alte Konflikte reaktiviert.
Das ländliche Idyll als Ort, an dem sich langsam das Unheimliche den Weg an die Oberfläche bahnt, kennt man aus STEREO (2014). Entspringt die fantastische Figur des Doppelgängers dort den schizophrenen Fantasien von Jürgen Vogels Protagonisten, ist sie in NACHTHELLE Ursprung der freudschen Spaltungsphantasie aus „Ich“ und „Doppel-Ich“ zur Trauma-Überwindung. Selbstreflexiv dreht sich NACHTHELLE dabei um die Frage, wie man Erinnerungen im Film visualisiert. Diese werden in Form von Träumen und Imaginärem heraufbeschworen bis man irgendwann nicht mehr weiß, ob es sich um eine Rückblende handelt oder nicht. Die daraus entstehende Koexistenz von verschiedenen Zeit-Schichten als ästhetische Reminiszenzen insbesondere an das Kino von Alain Resnais machen NACHTHELLE zu einem attraktiven Debüt mit Hang zur Psychoanalyse aus der Schmiede der HFF.

Nina Linkel

Details

Deutschland 83, 83 min
Genre: Psychothriller
Regie: Florian Gottschick
Drehbuch: Florian Gottschick, Carsten Happe
Kamera: Jakob Seemann
Schnitt: Christoph Dechant, Özlem Konuk
Musik: Felix Raffel
Verleih: daredo media
Darsteller: Benno Fürmann, Gudrun Ritter, Kai Ivo Baulitz, Vladimir Burlakov, Anna Grisebach
FSK: 12
Kinostart: 04.06.2015

Website
IMDB

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