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Moonlight

Glorreiches Kino

Der für acht Oscars nominierte MOONLIGHT ist ein Meisterwerk, ein mutiger Film, darüber, was es heißt, arm und schwarz aufzuwachsen, ein Film über Sexualität und Maskulinität, über Beschädigungen der Seele, über Sinnlichkeit und Güte.

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Alle paar Jahre gibt es einen dieser Filme, die einen wieder daran erinnern, wie glorreich das Kino sein kann. Filme, die einen so umhauen, dass man danach entweder stundenlang quatschen oder tagelang schweigen möchte. Filme, die einen nicht nur deshalb berühren, weil ihre Handlung etwas Berührendes erzählt, sondern bei denen einem plötzlich klar wird, dass hier etwas vollkommen Unglaubliches gelungen ist. Filme, die ein unglaublich hohes Risiko eingehen, und dadurch wirken, als hätten sie eine neue Sprache entdeckt. IN THE MOOD FOR LOVE war für mich so ein Film, Michael Ciminos HEAVEN’S GATE ebenfalls. MOONLIGHT spielt in dieser Liga, die nichts mit dem Tagesgeschäft zu tun hat. Es ist nicht einmal eine Frage, ob MOONLIGHT der beste Film des Jahres ist. Selbst wenn Barry Jenkins nichts zu erzählen hätte, würde allein die wundervolle Kameraarbeit von James Laxton für ein Meisterwerk reichen. Aber Jenkins hat mehr als genug zu erzählen.

In drei Episoden erzählt MOONLIGHT vom Leben des jungen Chiron, der in Miami mit einer drogensüchtigen Mutter, arm und schwarz aufwächst, in der Schule nur „Little“ genannt und von seinen Mitschülern gemobbt wird. Auf der Flucht vor ihnen versteckt Chiron sich in einem Abbruchhaus, das sonst von Junkies zum Drücken benutzt wird. Hier findet ihn der Drogendealer Juan (Mahershala Ali). Chiron hat Angst vor dem großen Mann mit dem Kopftuch mit den „Grills“, Schneidezahnabdeckungen aus Platin, aber Juan ist freundlich zu dem Jungen. Er gibt ihm zu essen und nimmt ihn mit in sein sauberes, sehr bürgerliches Haus, wo Chiron, der bisher kein Wort gesagt hat, Juans Freundin Teresa (Janelle Monáe) verraten soll, wo er wohnt, damit Juan ihn sicher heimbringen kann. Juan und Teresa werden allmählich zu einer liebevollen Ersatzfamilie für Chiron, aber Chiron steckt in einem double-bind: „ Meine Mom ist drogenabhängig und du verkaufst Drogen?“ fragte er Juan.
Der „Little“ betitelte erste Teil von MOONLIGHT bricht immer wieder mit Erwartungen, vor allem in Bezug auf schwarze Männlichkeit. Er beginnt mit einem Drogendeal, und man meint die Art Film zu kennen, die darauf folgt. Dann erzählt Jenkins von der Zärtlichkeit eines Drogendealers und stellt damit Fragen nach der Selbstzurichtung von Männlichkeit, ökonomischen Zwängen und einer US-Drogenpolitik, die Ava DuVernay in ihrem Film 13TH als Fortsetzung der Politik von Sklaverei und Segregation entlarvt hat. Die Kamera und das Licht in MOONLIGHT verleihen den Bildern einen Glanz, der ihre um Existenz und Identität kämpfenden Figuren zu Helden macht.

Im zweiten Teil ist Chiron siebzehn, im dritten ist er erwachsen und trägt den „street name“ „Black“. Mehr und mehr wird es um Chirons Freundschaft zu Kevin gehen, auch einem Außenseiter in der Schule, auf die die Jungen gehen. Es wird um Sexualität gehen und darum wie Jungen zu Männern werden – um die Beschädigungen, die der Seele dabei zugefügt werden, aber auch um die Sinnlichkeit und Güte, die möglich sein können. MOONLIGHT ist übrigens ein Film, der für das Kino gemacht ist, ausschließlich für das Kino. Auf kleineren Bildschirmen ist nicht genug Licht.

Tom Dorow

Details

USA 2017, 111 min
Genre: Drama
Regie: Barry Jenkins
Drehbuch: Barry Jenkins
Kamera: James Laxton
Schnitt: Nat Sanders, Joi McMillon
Musik: Nicholas Britell
Verleih: DCM
Darsteller: Naomie Harris, Mahershala Ali, André Holland, Janelle Monáe
FSK: 12
Kinostart: 09.03.2017

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IMDB

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