Die Kampfsportlerin Sarah hat ihre besten Tage im Ring hinter sich. Nun unterrichtet sie in Wien andere junge Frauen – mit mäßigem Erfolg. Da kommt ein lukratives Jobangebot wie gerufen, für das Sarah einen Monat in Jordanien verbringen wird. Sie soll die drei jüngsten Töchter einer reichen Familie im Trendsport Mixed Martial Arts trainieren. Am letzten Abend vor der Abreise fragen Sarahs Freund*innen noch: Tragen die Frauen da nicht alle Kopftücher? Aber Sarah wischt die Vorurteile schnell beiseite – wer weiß, vielleicht würde ihr das ja selbst gut stehen. Zusammen mit ihren Boxhandschuhen, witzelt die Runde. Für Sarah ist klar: Raus aus dem erwachsengewordenen, gar nicht mehr so alternativen Freundeskreis und rein ins All-Inklusive-Hotelleben, von dem ein Chauffeur sie jeden Morgen in das riesige Familienanwesen an den Stadtrand fährt. Aber ihre drei Schülerinnen haben von Anfang an andere Sorgen, als beim Training fit zu werden. Immer mehr Regeln und Geheimnisse der Familie bringen Sarah ins Straucheln. Wie sehr wird sie an ihrem Selbstverständnis als starke, unabhängige Frau festhalten können?
Nach SONNE widmet sich die kurdisch-österreichische Filmemacherin Kurdwin Ayub wieder den Themen Familie und Flucht. Dabei bleibt vieles in diesem Thriller im Halbdunkeln und ebenso ambivalent wie Sarah, die sich zwischen Aufbegehren und Resignation nicht entscheiden kann. Florentina Holzinger bringt in ihrer ersten Leinwandrolle mit, wofür sie auch in ihren skandalträchtigen Performances und Theaterinszenierungen bekannt ist: eine starke Körperlichkeit. Dahinter bleibt aber auch verborgen, was Sarah im Inneren bewegt und antreibt. Der Mond steht in Jordanien am Himmel und ist dann wieder aus dem heimischen Schlafzimmer in Österreich zu sehen, die Welt dreht sich mit ihren Machtstrukturen weiter.

Anna Hantelmann