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Minamata

Als das Gesuch an ihn kommt, nach Minamata zu reisen, ist Johnny Depps Eugene Smith eigentlich schon am Ende. Finanziell sowieso, was nicht zuletzt auch mit seiner ruppigen Art, mit Terminen und seinen Auftraggebern umzugehen, zusammenhängt. Aber ...

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Als das Gesuch an ihn kommt, nach Minamata zu reisen, ist Johnny Depps Eugene Smith eigentlich schon am Ende. Finanziell sowieso, was nicht zuletzt auch mit seiner ruppigen Art, mit Terminen und seinen Auftraggebern umzugehen, zusammenhängt. Aber auch der Suff, mit dem er seine Kriegserlebnisse verdrängt, hat seine Spuren hinterlassen. Er erinnert an eine kaputter, nicht komische Beatnik-Version seines Hunter S. Thompson aus FEAR AND LOATHING IN LAS VEGAS. Bereit, zu sterben und die Welt seinen Kindern, die schon lange nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen, zu überlassen, erscheint eine junge Japanerin und bittet ihn, über eine Häufung von schweren Erkrankungen und Missbildungen im Fischerdorf Minamata, und den Protesten gegen das örtliche Chemiewerk der Firma Chisso zu berichten. Dass es Chissos Abwässer sind, die die Region vergiften, ist fast sicher. Da mag der Chisso-CEO noch so viel mit einem Glas Wasser, "frisch aus dem Anlagenbecken" posieren. Smith überzeugt den „Life Magazine“ Chefredakteur Bob Hayes (Bill Nighy), seinen letzten Verbündeten, ihn nach Japan zu entsenden. Konfrontiert mit den Schicksalen und dem sozialen Zusammenhalt, die er dort vorfindet, zieht er sich zuerst in sein Selbstmitleid und den Suff zurück, findet aber bald den Kampfeswillen, sich mit den Minamater*innen gegen die Macht der Industrie, die auch die örtliche Polizei in der Tasche hat, aufzulehnen. Bis der CEO ihm ein verlockendes Angebot macht.

Bei einem Treffen der protestierenden Bewohner*innen von Minamata stellt Smith klar, dass er eher der Typ „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte“ ist. Und so liegen die Stärken von MINAMATA auch eher in den Bildern, der Weise, wie der Film die speziellen Qualitäten der Fotos die Smith schoss, nachstellt. Die Geschichte ist eine solide Three-act-structure, die einigermaßen funktioniert, wobei gerade die sich entwickelnde Liebesgeschichte zwischen Smith und seiner zukünftigen Frau Aileen recht gezwungen wirken würde, wenn sie nicht historisch verbürgt wäre, und sich Aileen Smith nach dem Tod ihres Mannes sehr um sein künstlerisches Erbe bemüht hat. Aber für Eugene und den Film sind die Bilder das Wesentliche, und so ist der dramaturgische Höhepunkt dann auch eine Nachstellung von Smiths berühmtesten Bild aus Minamata, dem Pietá-ähnlichen „Tomoko Uemura in Her Bath“.
Und die Nachrichtenbilder von ähnlich dramatischen Umweltkatastrophen, die den Abspann begleiten, weisen darauf hin, dass die industrielle Rücksichtlosigkeit, aber auch der Widerstand dagegen, international und permanent wiederkehrend sind.

Christian Klose

Details

GB 2020, 112 min
Sprache: Englisch, Japanisch
Genre: Drama
Regie: Andrew Levitas
Darsteller: Johnny Depp, Hiroyuki Sanada, Minami

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

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