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Manodrome

Ralphie (Jesse Eisenberg) ist jung, Weiß und wütend. Als Uber-Fahrer ist sein Leben buchstäblich fremdbestimmt. Seinen eigenen Zielen bringt ihn der Job nicht näher und zum Überleben reicht das verdiente Geld auch eher schlecht als recht. Seine ...

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Ralphie (Jesse Eisenberg) ist jung, Weiß und wütend. Als Uber-Fahrer ist sein Leben buchstäblich fremdbestimmt. Seinen eigenen Zielen bringt ihn der Job nicht näher und zum Überleben reicht das verdiente Geld auch eher schlecht als recht. Seine Freundin Sal (Odessa Young) hat ein etwas verlässlicheres Einkommen, aber auch sie hasst den Mist, den sie verkauft und die Leute, die ihn kaufen. Aber wenn man wie Ralphie bald Vater wird, muss man seine Familie zumindest ernähren können, selbst wenn man keine Ahnung hat, wie der Rest geht. Aber wenn man Ralphie mit seinen grellrot gefärbten Haaren im Fitnesstudio zu aggressivem Metalcore trainieren sieht, ist klar, dass in ihm eine ungeheure Wut nur darauf wartet, sich irgendwann Bahn zu brechen. Bis er eines Tages über einen Freund an „Dad Dan“ (Adrian Brody) gerät, der eine Art Retreat betreibt, bei dem neue Rekruten als „Sohn“ anfangen, sich in den Sitzungen dadurch definieren, wie lange sie schon auf Sex verzichtet haben, bevor sie ihre Wut und Schmerz konfrontieren, und als Gegenmittel zusammen Mantren ihrer Mannesstärke aufsagen. Im Normalfall brechen die „Söhne“ irgendwann alle Verbindungen zu ihrem alten Leben ab und ziehen komplett in Dans Haus, wird Ralphie gesagt. Und wenn Dad Dan sagt, ein Mann solle sich nehmen, was ihm zusteht, dann beinhaltet das manchmal auch eine halbautomatische Pistole.
Soweit, so FIGHT CLUB. Aber der queere Regisseur John Trengrove, der in DIE WUNDE schon die homoerotische Seite von afrikanischen Initiationsriten beleuchtete, schafft es in MANODROME gleichzeitig Erwartungen zu erfüllen und den Film dabei in eine unerwartete Richtung zu leiten. Dans Kult erinnert nicht von ungefähr an Gruppierungen wie die sogenannten „Incels“ und auch der Wunsch, sich von der weiblichen „Gynosphere“ loszusagen, könnte aus einem ihrer Foren stammen. Die Wut und die Gewalt, in der Ralphies Geschichte unweigerlich enden wird, richtet sich aber nicht gegen Frauen, sondern ausschließlich gegen andere Männer und gegen sich selbst. Abgesehen von Sal kommen Frauen in der Geschichte des Films nur am Rande vor. Stattdessen zieht sich als Thema die Suche nach Vaterfiguren durch den Film, bei der immer wieder Hoffnung besteht. Ralphie kann mit seinem Schmerz nicht umgehen und je mehr er seinem Anspruch an sich selbst als werdender Vater nicht gerecht werden kann, desto mehr steigert er sich in die Wut hinein, und verliert die Verbindung zur Realität. Dadurch, dass der Film ihm neben Dan aber noch zwei weitere, gesündere, Vaterfiguren anbietet, von dem eine, Ahmet (Salieu Sesay), das genaue Gegenteil von Ralphies Weißer Wut ist, erlaubt Trengrove dem Publikum immer wieder mit einer Figur mitzufühlen, die ansonsten unweigerlich auf den Abgrund zurennt und dabei nicht nur sich selbst mitreißen wird. Ob man mit so einem Menschen mitfühlen will oder sollte, ist eine Frage, die gestellt gehört, aber MANOSPHERE wird auf jeden Fall Stoff für Diskussionen jenseits von Klischees bieten.

Christian Klose

Details

GB/USA 2023, 95 min
Regie: John Trengove
Drehbuch: John Trengove
Darsteller: Jesse Eisenberg, Adrien Brody, Odessa Young

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

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