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Mandy (2018)

Marodierende Jesus-Sekte

Das blutüberströmte Sekten-Rachedrama MANDY dreht völlig frei, als hätte ein „Heavy Metal“-Comic der siebziger Jahre zu viel LSD genommen und wäre beim Hören von Emerson, Lake and Palmer wahnsinnig geworden.

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Nicholas Cage ist in den letzten Jahren weniger Schauspieler gewesen als ein Internet-Meme. „Nicholas Cage losing his shit“, eine Kompilation der Aus- und Zusammenbrüche von Cage ist eines der beliebtesten Videos auf Youtube. Nun könnte Cage sich einen schönen Arthouse-Film mit einer dramatischen Handlung über Freundschaft und Behinderungen aussuchen, oder irgendein Remake von LEAVING LAS VEGAS, um wieder Anerkennung als Schauspieler zu finden. Mit MANDY macht er genau das Gegenteil. Nie hat man Cage mehr die Nerven verlieren sehen als hier. In einer langen Szene auf einem psychedelisch tapezierten Klo bebt und zittert sein ganzer Körper, er zuckt, schreit und heult, während er eine Flasche Wodka auf Ex zu trinken versucht. Wenn ihr ein Meme haben wollt: Bitte sehr!

Mit MANDY hat man nicht rechnen können. Regisseur Panos Cosmatos Debütfilm BEYOND THE BLACK RAINBOW war ein sinnlicher, psychedelischer Retro-Sci-Fi-Traum mit einem schicken analogen Synthesizer-Score, aber das Erzähltempo erinnerte an eine Lavalampe auf Valium. MANDY ist ein ganz anderes Geschoß, obwohl es auch eher somnambul beginnt. Holzfäller Red Miller (Cage) und Freundin Mandy Bloom (Andrea Riseborough) leben 1983 in einer abgeschiedenen Hütte im Wald. Mandy liest Fantasy-Bücher und malt bunte Metal-Fantasy-Illustrationen, auf dem Sofa sehen sie zusammen Trash-Horrorfilme (NIGHTBEAST, 1982). Mandy, Mitte 30, wirkt, als hätte sie schon einiges hinter sich. Sie hat eine unerklärte Narbe im Gesicht, und die Atmosphäre ist die der Ruhe nach dem Sturm. „Sundown dazzling day/ Gold through my eyes/But my eyes turned within/Only see/Starless and bible black” singt Greg Lake von King Crimson zu Beginn des Films und Jóhann Jóhannsons Soundtrack erzählt von einer verzauberten Zuflucht. Es wäre schön gewesen, mehr von Mandy und ihrer Vorgeschichte zu erfahren, der Riseborough ein magisches Charisma verleiht. Dann allerdings dreht der Film sich vollkommen um und wird zu einer radikalen Slasher-Trash-Hommage. Mandy wird das Opfer einer marodierenden Jesus-Sekte, deren Führer schwarze Motorraddämonen heraufbeschwört und Mandy bei lebendigem Leibe verbrennen lässt, Red wird zum Rachegott.

"Das kennt man ja!", sagt die Herausgeberin. Einerseits hat sie recht, andererseits kennt man es nicht so. Cosmatos lässt ein visuelles Feuerwerk explodieren, mit bizarren Animationen, wabernden Lichtschwaden und demonstrativen Rückprojektionen wie im Universal-Horror der dreißiger Jahre. Welten verformen sich und stürzen ein, bis Red, der gute alte durchgeknallte Holzfäller, blutüberströmt versucht die Kettensäge anzuwerfen. MANDY dreht völlig frei, als hätte ein „Heavy Metal“-Comic der siebziger Jahre zu viel LSD genommen und wäre beim Hören von Emerson, Lake and Palmer wahnsinnig geworden. Der Retro-Soundtrack besteht aus pompösen Retro-Prog-Rock-Widerlichkeiten, die mit Goth-Geschwöge eine ungesunde Hochzeit feiern – aber man kann das Gedöns durchaus liebhaben, weil es mit solcher Leidenschaft und solchem Witz in einen Orkan blutigen Unfugs geworfen wird.

Der Oberschurke Jeremiah Sand (Linus Roache) lässt selbst Charles Manson blass aussehen. Auf Bandcamp gibt es Jeremiah Sands abscheuliche Single „Amulet of the Weeping Maze“, eine unterirdische Hommage an den WICKER MAN-Soundtrack und als B-Seite eine irrsinnige Autobiografie des mörderischen neuen Jesus. Goodies für Fans, die diese amüsante unheilige Blutmesse noch Jahrzehnte lang feiern werden. In den USA musste der Verleih, der den doch sehr seltsamen Film nur in wenige Kinos bringen wollte, die Strategie umstellen, weil MANDY plötzlich zum Überraschungsknüller geworden war. Um den „Cheese Goblin“, eine liebevolle Parodie von Fernsehwerbung für Kinder in den 70er Jahren, die im Hintergrund auf einem Fernseher läuft, während im Vordergrund ein anderer Wahnsinn regiert, hat sich ein eigener Kult gebildet. Wenigstens werden da nur Maccheroni geopfert.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Mandy
USA 2018, 121 min
Sprache: Englisch
Genre: Horror, Action, Thriller, Krimi
Regie: Panos Cosmatos
Drehbuch: Panos Cosmatos, Aaron Stewart-Ahn
Musik: Jóhann Jóhannson
Verleih: Drop-Out Cinema
Darsteller: Nicolas Cage, Andrea Riseborough, Linus Roache
FSK: 18
Kinostart: 01.11.2018

Website
IMDB

Vorführungen

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