Magazin für unabhängiges Kino
Filmwecker
Filmnotiz

Neue Notiz

Männerfreundschaften

War Goethe schwul?

In seinem Dokumentarfilm beschäftigt sich Rosa von Praunheim mit dem Männerfreundschaftskult des 18. Jahrhunderts und der Frage, ob die überbordenden Liebeserklärungen rein platonisch gemeint waren.

Mehr

Johann Wolfgang von Goethe schreibt entflammt von der Knabenliebe in Italien. Der Begründer der Kunstgeschichte Johann Winckelmann spricht allen, die den Reiz von Männerkörpern nicht verstehen, ästhetisches Feingefühl ab. Von Emil August von Sachsen-Gotha-Altenburg geht das Gerücht, er habe Napoleon in Frauenkleidern begrüßt. Johann Wilhelm Gleim errichtet in seinem Haus in Halberstadt einen „Raum der Freundschaft“, und Friedrich Schiller arbeitet an einem unvollendeten Drama über ein verliebtes Ritterpaar.
In seinem jüngsten Dokumentarfilm beschäftigt sich Rosa von Praunheim mit dem Männerfreundschaftskult des 18. Jahrhunderts und der Frage, ob die überbordenden Liebeserklärungen rein platonisch gemeint waren. Die Antworten fallen unterschiedlich aus, je nachdem, wer gefragt wird und um wen es geht: Goethe? Hat in Italien die einschlägigen Viertel besucht. Alexander von Humboldt? Reiste stets mit einem jungen Sekretär, dem er alles vermachte. Emil August? Liebte Drag. Johann Gleim? Eher nein. Goethe und Schiller? Viel zu exponiert. Die Verantwortlichen von Schlössern und Stiftungen sprechen lieber von „Exzentrik“ und äußern sich vorsichtiger als unabhängige Wissenschaftler*innen oder private Forscher*innen, aber auch Letztere sind eher zurückhaltend mit eindeutigen Zuschreibungen – immerhin existierten bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Begriffe „Heterosexualität“ und „Homosexualität“ noch gar nicht. Von Praunheim feiert diese Ambivalenz und den barocken Gefühlsüberschuss. Er lässt Schauspieler*innen einschlägige Passagen in der Weimarer Fußgängerzone aufsagen, imaginiert Liebesszenen, befragt viele Expert*innen und wandert gelegentlich selbst mit Zopfperücke durchs Bild. Wie immer wirkt das wie eben mal aus dem Ärmel geschüttelt, ist dabei unterhaltsam und sehr kenntnisreich.

Hendrike Bake

Details

Deutschland 2018, 85 min
Genre: Drama
Regie: Rosa von Praunheim
Drehbuch: Rosa von Praunheim, Valentina Schütz
Kamera: Patrick Richter
Schnitt: Andreas Wolter
Verleih: missingFILMs
Darsteller: Matthias Luckey, Valentin Schmehl, Thomas Linz, Tobias Schormann, Max Conrad
Kinostart: 13.12.2018

Website
IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.