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Long Shot – Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich

Moderne Screwball-Comedy

Charlize Theron ist Charlotte Field, Außenministerin der USA mit Präsidentschaftsambitionen, Seth Rogen ist Fred Flarsky, aufbrausender Journalist mit kritisch-linken Ansichten und ohne Job…

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Schon der Bechdel-Test zur Überprüfung des Anteils von Frauenrollen ergibt bei Mainstreamfilmen meist verheerende Ergebnisse, von Stereotypisierungen gar nicht zu reden. LONG SHOT, von Charlize Theron und Seth Rogen nicht nur gespielt, sondern auch mitproduziert, dreht die gängige Rollenverteilung um und schlägt komödiantische Funken daraus. Theron ist Charlotte Field, Außenministerin der USA mit Präsidentschaftsambitionen, Rogen ist Fred Flarsky, aufbrausender Journalist mit kritisch-linken Ansichten und ohne Job, seit sein Arbeitgeber von einem rechtskonservativen Medienmogul (Andy Serkis in seiner Paraderolle als Monster) aufgekauft wurde. Macht und kühle Autorität sind weiblich, Chaos und unbeherrschte Emotionalität männlich – interessante Ausgangslage, die der Film konsequent durchspielt und im weiteren Verlauf auch gebührend variiert. Die Backstory, dass Charlotte mal Freds Babysitter war, führt die beiden zusammen. Charlotte macht ihn zum Redenschreiber und die Geschichte vom Verliebtsein in einen Unstandesgemäßen nimmt ihren Lauf, Anspielungen an PRETTY WOMAN inklusive – wobei Rogens Journalist deutlich mehr widerständiges Eigenleben haben darf als damals die niedliche Nutte.

Die Charakterklischees, die Rogen und Theron als Leinwandpersönlichkeiten mitbringen, das nicht gerade Naheliegende dieser Paarung nimmt schon der Titel aufs Korn („a long shot“ bedeutet „weit hergeholt“). Dass das Experiment auch als emotional glaubwürdiges Filmpaar funktioniert, ist der Charakterzeichnung von Schauspielern und Drehbuch zu danken. Innerhalb des umgedrehten Settings erlaubt das Buch von Liz Hannah und Dan Sterling Vielseitigkeit und Überraschungen, stattet beide Figuren mit „männlichen“ und „weiblichen“ Aspekten aus und wirbelt die Sehgewohnheiten aufs Schönste durcheinander. Die sich unterhalb der Gürtellinie abspielenden „Seth-Rogen-Momente“ sind ziemlich gleichmäßig auf beide Figuren verteilt, ebenso das Auftrumpfen mit moralischer und intellektueller Überlegenheit, mit dem gewohnheitsmäßig Theron brilliert. Der Film spielt lustvoll mit Klischees und funktioniert in seinen besten Momenten mit sich überschlagender Handlung, durchdrehenden Charakteren und süffigen One-linern wie eine moderne Screwball-Comedy.

Im emotionalen Kern ist dies ein herzallerliebstes Buddy Movie, Freds bester Freund spielt eine entscheidende Rolle, auch die Annäherung des Paares findet fern von Romantik-Klischees vor allem beim Nach-langen-Arbeitstagen-auf-dem-Sofa-Rumhängen-und-sich-lustige-Sachen-Erzählen statt. Die politischen Konflikte sind nicht nur Handlungsanlass, sondern integraler Teil der Geschichte, wobei der kritische Flarsky den viel größeren Kampf um Integrität und Werte ausfechten muss. Die Bitterkeit über die Kompromisse, die für die im höchsten Zirkel der Macht agierende Politikerin tägliche Verhandlungswährung sind, wird nicht ausgespart, eine Positionierung dazu bleibt den Zuschauer*innen überlassen.

Die politische Haltung der beiden Stars ist deutlich, das rich white America mit seinem Sexismus, seiner Heuchelei und seiner medialen Macht ist der große Gegner, der sich am Ende aufbäumt und die übelsten Waffen auspackt. Mit seiner finalen Wendung führt LONG SHOT die Romantic Comedy konsequent zu Ende und rettet die Welt nicht mit dem starken Heldenarm, sondern mit der Botschaft: Wir meinen es ernst mit der ganz anderen Haltung. Deal with it, America.

Susanne Stern

Details

Originaltitel: Long Shot
USA 2019, 125 min
Genre: Komödie
Regie: Jonathan Levine
Drehbuch: Dan Sterling
Kamera: Yves Bélanger
Verleih: STUDIOCANAL
Darsteller: Alexander Skarsgård, Charlize Theron, Seth Rogen, June Diane Raphael, Andy Serkis
FSK: 12
Kinostart: 20.06.2019

Website
IMDB

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