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Little Women

Romantische Feminist*innen

Greta Gerwigs Re-Interpretation für das 21. Jahrhundert verquixkt die Geschichte der Schwestern mit der Geschichte der Autorin und handelt vor allem von den Aspekten, die Gerwig am Herzen liegen.

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Für alle, die nicht mit dem Jugendbuchklassiker (1868) von Louisa May Alcott aufgewachsen sind: LITTLE WOMEN erzählt die Geschichte von vier Schwestern von der Pubertät bis zum Erwachsenwerden. Zu Beginn der Erzählung ist die älteste, Meg, 16 Jahre alt und das Nesthäkchen, Amy, 12. Zusammen mit ihrer Mutter und der Haushälterin Hannah bilden die March-Schwestern ein inniges Frauennetzwerk – auch wenn der Vater, der im amerikanischen Bürgerkrieg für die Nordstaaten kämpft, bitterlich vermisst wird. Auch nach 150 Jahren bietet Alcotts autofiktionaler Roman einen faszinierenden Einblick den häuslichen Teenageralltags, zum Lieblingsbuch für Generationen von Mädchen wurde LITTLE WOMEN aber allem wegen seiner Hauptperson, Jo, die gegen alles „Weibliche“ rebelliert, blutrünstige Geschichten schreibt und es sehr bedauert, dass sie nicht mit dem Vater in den Krieg ziehen darf.

Alcotts Erzählung wurde schon zahlreiche Male als Film, Fernsehspiel, Musical und Theaterstück adaptiert. Greta Gerwig fügt dem Fundus nun eine Re-Interpretation für das 21. Jahrhundert hinzu, die die Geschichte der Schwestern mit der Geschichte der Autorin verquickt und vor allem von den Aspekten erzählt, die Gerwig am Herzen liegen. Christliche Werte, die ein großes Thema von Alcotts Mädchenroman waren, werden eher am Rande verhandelt, Fragen der Selbstbestimmung und der überhaupt denkbaren Lebensentwürfe - die im Buch ebenfalls auftauchen – rücken in den Vordergrund. Besonders deutlich wird das in einer Szene, die es – fast aber eben nicht ganz – so auch bei Alcott gibt. Zerknirscht hockt Jo (Saoirse Ronan) auf dem Dachboden. Nach einem großen Krach mit Amy war sie so sauer, dass sie nicht auf die kleine Schwester aufgepasst hat und es fast zu einem großen Unglück gekommen wäre. Mutter March (Laura Dern) tröstet sie. Sie selbst habe ihr Leben lang mit einem stürmischen Temperament zu kämpfen gehabt und sei nahezu täglich wütend, aber sie habe in 40 Jahren immer besser gelernt, diese Wut zu unterdrücken. Bei Alcott ist das vorbildlich gemeint, bei Gerwig fügt die Mutter mit einem halb sorgen-, halb hoffnungsvollen Blick auf ihre Tochter noch einen Satz an: „Aber nicht alle sind dafür gemacht, sich anzupassen.“

Greta Gerwigs Adaption ist damit vielleicht nichts für Puristinnen, dafür aber sehr lebendig und verspielt. Einerseits schürft Gerwig im historischen Material nach dem Vorgefühl feministischen Gedankenguts und überhöht es, wo immer sie es findet. Andererseits stürzt sie sich mit Schwung in die rauschenden Röcke, das unablässige Gekicher, die zärtlichen Familientableaus im Feuerschein, die Kindertheateraufführungen und Geheimclubs und erkundet den kleinen und großen Liebes- und Lebenskummer ihrer Protagonistinnen. Sie schüttelt virtuos die Erzählebenen durcheinander und lässt dabei die Person von Jo mit der von Louisa May Alcott – die niemals geheiratet hat und das eigentlich auch nicht als Ende für ihre Hauptperson wollte - zusammenfließen. Und sie führt am Ende alles in einem eleganten postmodernen Finale zusammen, das das unabwendbar romantische Ende zugleich feiert und entlarvt. Rundum hippes Wunscherfüllungskino für romantisch veranlagte Feminst*innen.

Hendrike Bake

Details

USA 2019, 134 min
Sprache: Englisch
Genre: Drama, Literaturverfilmung
Regie: Greta Gerwig
Drehbuch: Greta Gerwig
Kamera: Yorick Le Saux
Schnitt: Nick Houy
Musik: Alexandre Desplat
Verleih: SONY
Darsteller: Saoirse Ronan, Florence Pugh, Emma Watson, Meryl Streep, Laura Dern, Timothée Chalamet, Louis Garrel, Bob Odenkirk, Chris Cooper
FSK: oA
Kinostart: 30.01.2020

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