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Kirschblüten und Rote Bohnen

Poetisches Tokio

Tagein, tagaus verkauft Sentaro an einer Straßenecke in Tokio Dorayaki: kleine, mit einer leicht süßen roten Bohnenpaste gefüllte Pfannkuchen. Zur Kirschblüte steht eine alte Dame vor ihm, die ihm anbietet ihm mit der Paste zu helfen.

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Verglichen mit Metropolen wie New York oder London, ja selbst mit Berlin ist Tokio eine ruhige Stadt. In der U-Bahn wird kaum gesprochen und auch der Autoverkehr erscheint leiser. In diesem Film der japanischen Regisseurin Naomi Kawase (STILL THE WATER) wirkt die Stadt mit den bald zehn Millionen Einwohnern noch meditativer, ja gleichsam in den Hintergrund gerückt. Was teils daran liegt, dass ein Gutteil der Handlung in einer und um eine Imbissbude herum spielt. Teils aber auch daran, dass uns Kawase in ein Tokio zur Zeit der Kirschblüte entführt. Einer Kirschblüte, die auch in diesem Film nur kurz währt, die die Stadt aber in ein magisches und dämpfendes Weiß taucht. Tagein, tagaus verkauft Sentaro Dorayaki, kleine, mit einer leicht süßen roten Bohnenpaste gefüllte Pfannkuchen. Sentaro ist ein ernster Mann, der mit seinem weißen, um den Kopf geschlungenen Handtuch fast wie ein Samurai anmutet, ein gebrochener Samurai – was er alles mit sich rumschleppt, erfahren wir erst später. Seine Pfannkuchen jedenfalls sind ein von Kawase wunderbar fotografiertes Gedicht; nur die Bohnenpaste, die will dem Mann mit den immer länger werdenden Haaren nicht gelingen. Zur Kirschblüte steht eine Dame vor Sentaros Verkaufsfenster, die genau weiß, wie viel an Liebe und Hingabe solch Paste braucht. Nach anfänglicher Skepsis kann Sentaro nicht anders, als die betagte Frau einzustellen. Dass seine Pfannküchlein mit ihrer Paste besser schmecken, spricht sich im Viertel herum. Bald aber kursieren auch Gerüchte, ihre verbogenen Hände seien Zeichen einer Lepra-Erkrankung. KIRSCHBLÜTEN UND ROTE BOHNEN, der von zwei, über ihr ähnliches Schicksal miteinander verbundenen Außenseitern und vom Leben Gezeichneten erzählt, gehört zu den zugleich poetischsten und berührendsten Filmen der Kinosaison.

Matthias von Viereck

Details

Originaltitel: An
Japan 2015, 113 min
Genre: Drama
Regie: Naomi Kawase
Drehbuch: Naomi Kawase
Kamera: Tina Baz
Musik: David Hadjadj
Verleih: Neue Visionen
Darsteller: Masatoshi Nagase, Kirin Kiki, Kyara Uchida, Moyoko Asada, Etsuko Ichihara
FSK: oA
Kinostart: 31.12.2015

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