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Je suis Karl

Junge, schöne Nazis

Maxis Mutter und ihre kleinen Geschwister sterben bei einem Terroranschlag, der islamistischen Terroristen zugeschrieben wird, aber von Neonazis begangen wurde. Der hübsche junge Nazi Karl wanzt sich an Maxi heran, um sie für die Propaganda der Gruppe zu benutzen.

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Die Story (ohne zu sehr zu spoilern): Maxi, ein behütetes Teenager-Mädchen aus dem Prenzlauer Berg, verliert ihre Mutter und ihre kleinen Geschwister bei einem Terroranschlag, der islamistischen Terroristen zugeschrieben wird, aber tatsächlich von Nazi-Terroristen verübt wurde. Die Gruppe um den schnieken Karl will die Widersprüche im Land verschärfen, um möglichst schnell einen „Volksaufstand“ herbeizuführen. Karl glaubt, Maxi für die Propaganda des legalen Arms der „Bewegung“ nutzen zu können, und wanzt sich an sie heran. Die verstörte Maxi hat keine Verteidigungsmechanismen gegen Karls Charme und gegen seine Ideologie, die sich langsam in ihr Hirn schleicht. Er nimmt sie zu den Treffen der internationalen rechtsextremen Gruppierung mit. Die Inszenierung dieser Treffen in Prag und Straßburg sind die Höhepunkte des Films. Während in den Hinterzimmern terroristische Strategien ausgeklüngelt werden, finden auf den Bühnen Hochglanz-Performances von jungen, eloquenten Schönen statt. Die Musik ist melancholisch-romantisch für die Seele, aber auch mal brachial für die Männerkörper. Die Texte reden von Angst, Sicherheit und der Selbstverteidigung Europas, natürlich auch von der Verteidigung der Frauen und der Jungen.
Die Rhetorik der neuen Rechtsextremen in JE SUIS KARL nutzt die gleichen Themen, wie sie von den Twitter- und Instagram-Stars der rechtsextremen Szene gesetzt werden, und die gleichen Strategien. Fremdzuschreibungen werden abgelehnt, man ist nicht rechts, sondern man denkt selbst. Man hat auch linke Freunde.

Wie alle Filme, die vor der SARS-CoV-2-Pandemie entstanden sind, kommt JE SUIS KARL zu spät. Der Film zeigt die Situation, wie sie sich 2019 darstellte. Inzwischen gibt es neue Talking Points, und die Menschenfeinde und Antidemokraten inszenieren sich als die eigentlichen Verteidiger der Freiheit. Die Entscheidung, Anschläge unter falscher Flagge zum Aufhänger der Geschichte zu machen, ist ebenfalls eher bedauerlich. Obwohl es immer wieder Fehlzuschreibungen rechten Terrors gegeben hat, nicht zuletzt bei den NSU-Morden, benötigt die Kritik an rechtsextremer Ideologie keine Verschwörungserzählung. Der Film wird dadurch zwar spannender, aber nicht unbedingt glaubwürdiger, zumal die Rechtsextremen längst selbst ähnliche Geschichten mit umgekehrten Vorzeichen erzählen.
Christian Schwochow weiß, wie man straff und packend inszeniert, das ist nicht erst seit der exzellenten TV-Serie „Bad Banks“ klar. Aber die Stärke seines Films liegt in der Darstellung der subtilen Verführung, der Gefühle von Gemeinschaft und Stärke, die vermeintliche Gewissheiten vermitteln. Und in der genauen Analyse der Wendung von einst linken Begriffen wie Vielfalt, die in der in der rechtsextremen Ideologie eine Weiße Vielfalt ist, die gegen den Ansturm eines migrantisch muslimischen Mobs verteidigt werden muss. Diese Integrationsfähigkeit rechtsextremer Ideologie und ihre Umdeutung demokratischer Begriffe ist das Erschreckendste am neuen Faschismus. Sie hat in den letzten zwei Jahren neue Dimensionen erschlossen.

Tom Dorow

Details

Deutschland 2021, 126 min
Sprache: Deutsch
Genre: Drama
Regie: Christian Schwochow
Drehbuch: Thomas Wendrich
Kamera: Frank Lamm
Schnitt: Jens Klüber
Verleih: Pandora Film
Darsteller: Luna Wedler, Jannis Niewöhner, Milan Peschel, Marlon Boess, Cédric Cavatore
FSK: 12
Kinostart: 16.09.2021

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