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It Follows

Aus übelsten Alpträumen

IT FOLLOWS bringt, verspielt aber ironiefrei und sehr originell, den Teenager-Horror zu seinen Wurzeln zurück. Reihenweise werden junge Leute in bizarren Todesposen vorgefunden. Es sieht aus, als ob sie von etwas Grauenhaftem verfolgt worden wären. Flucht hilft nicht. Sex – zumindest zeitweise – schon.

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IT FOLLOWS ist der beste Teen-Horrorfilm mindestens seit RINGU. Dabei erscheint die Geschichte, die der Film erzählt, zunächst so platt wie sie nur sein könnte. Jay (Maika Monroe), ein College-Girl, geht mit einem sympathischen, leicht verstrahlten Jungen aus. Nach sehr romantischem Sex im Auto findet Jay sich an einen Rollstuhl gefesselt in einer Ruine wieder und ihr Freund faselt wirres Zeug darüber, dass ihn etwas verfolgt, und dass er „es“ an Jay weitergegeben hätte. In hunderten anderen Horrorfilmen wäre es nun um die Angst vor Sex und die Bestrafung von sexuell aktiven Jugendlichen gegangen. Hier geht es um mehr: um die Angst, verfolgt zu werden, um die Angst vor dem Tod, und um die Frage, wie man mit ihr umgehen kann. Es geht um Fragen, die zwar für Teenager zum ersten Mal virulent werden, aber die niemanden je in Ruhe lassen. Jay wird von sich sehr langsam bewegenden Erscheinungen verfolgt, die sich unablässig auf sie zu bewegen und verschiedene Gestalt annehmen. Der Bezug zwischen Eros und Tod ist hier nicht aufgestellt wie in protestantischen Schulddramen, sondern eher wie in Georges Batailles Texten zum Erotismus. Erwachsenwerden heißt Erotik und das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit integrieren: ein extrem beängstigender Vorgang, und selten ist er so beängstigend gefilmt worden wie in IT FOLLOWS. Die stetige Bewegung der Verfolger vergleicht der Film am Ende mit Dostojewskis Anklage der Hinrichtung mit der Guillotine und deren psychischen Qualen, die sich in einer Konzentrationsbewegung der Zeit immer mehr steigert : „Aber der ärgste, stärkste Schmerz wird vielleicht nicht durch Verwundungen hervorgerufen, sondern dadurch, dass man mit Sicherheit weiß: nach einer Stunde, dann: nach zehn Minuten, dann: nach einer halben Minute, dann: in diesem Augenblick wird die Seele aus dem Körper herausfliegen, und man wird aufhören, ein Mensch zu sein, und dass das sicher ist; die Hauptsache ist, dass das sicher ist.“ Genau diese Form des Schrecken evoziert IT FOLLOWS mit allen Mitteln des modernen Horrorfilms, mit perfekt komponierten Bildern, die immer ein beunruhigendes Element enthalten, mit eleganten Rhythmuswechseln, mit einem mal lyrischen, mal beängstigend donnernden analog-elektronischen Soundtrack und einer Geschichte, die konsequent genug erzählt ist, um glaubhaft zu werden, aber aus übelsten Alpträumen schöpft.

Tom Dorow

Details

USA 2014, 80 min
Sprache: Englisch
Genre: Horror
Regie: David Robert Mitchell
Drehbuch: David Robert Mitchell
Kamera: Mike Gioulakis
Schnitt: Julio Perez IV
Verleih: Weltkino Filmverleih
Darsteller: Jake Weary, Maika Monroe, Keir Gilchrist, David Zovatto, Olivia Luccardi
FSK: 12
Kinostart: 02.07.2015

Website
IMDB

Vorführungen

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