Neue Notiz
Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste
Autorin am Nullpunkt
IINGEBORG BACHMANN ist vor allem ein Film darüber, wie ein traditionelles Rollenverständnis die Liebe und die Kunst tötet..
Als Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) Max Frisch (Ronald Zehrfeld) zum ersten Mal in Zürich besucht, ereignet sich der folgende Dialog. Nachdem er sie durch seine Wohnung geführt hat, öffnet Frisch die Tür zum Wohnzimmer und sagt „... aber reden wir heute nicht mehr über Literatur.“ „Worüber reden wir dann?“, fragt Bachmann. „Über Ihr Lächeln,“ antwortet Frisch.
Die Szene fasst zusammen, worum es Margarethe von Trotta in ihrem Biopic geht. Sie gibt einen Ausblick auf das Scheitern der Beziehung. Schuld sind vor allem gesellschaftliche Normen und ein traditionelles Frauenbild Frischs, die dafür sorgen, dass er die Arbeit Bachmanns zwar sehr bewundert, aber mit der Freundin doch lieber über ihr Lächeln plaudern möchte. Er stört sich an ihrer Unabhängigkeit, an ihren Affären, an ihrer Weigerung, ihn zu heiraten. Er nennt sie „mein Mädchen“ und macht sie zum Objekt seiner Literatur. Sie wirft ihm dafür Verrat vor. Nachdem sie zu ihm nach Zürich gezogen ist, verliert sie ihren Rhythmus und ihren Ort. Neben seinem Schreibmaschinengeklapper und unter Aufsicht, geschweige denn ohne ordentlichen Espresso kann sie nicht schreiben. Sie zieht weiter in ihr geliebtes Rom. In einer Schlüsselszene erläutert Bachmann, dass die Ehe für Frauen, die arbeiten möchten, das Ende bedeutet. „Der Faschismus beginnt in der Beziehung zwischen Mann und Frau.“
INGEBORG BACHMANN ist vor allem ein Film darüber, wie ein traditionelles Rollenverständnis die Liebe und die Kunst tötet. Dabei kommt Max Frisch von Anfang an schlecht weg, und es wird nicht so recht deutlich, warum Bachmann sich eigentlich überhaupt und dann noch so sehr in den 15 Jahre älteren Schweizer verliebt hat, dass die Trennung vier Jahre später zu Nervenzusammenbrüchen und Krankenhauseinweisungen führen sollte. Hat ihr die altväterliche Art, die Zehrfeld als Frisch an den Tag legt, eine Art Sicherheit vermittelt?
Und die Reise in die Wüste? Ist metaphorisch, aber auch konkret. In der Rahmenhandlung reist Bachmann mit Adolf Opel, einem weiteren jungen Liebhaber, nach Marokko, während in Rückblenden die Geschichte ihrer Beziehung zu Max Frisch erzählt wird. Die Wüste ist eine Art Nullpunkt, von dem aus Bachmann wieder neu anfangen kann, die Reise ist eine reinigende Geste, ein Ankommen und ein Aufbruch.
Originaltitel: Ingeborg Bachmann: Reise in die Wüste – Ingeborg Bachmann: Journey Into the Desert
Österreich/ Schweiz/ Deutschland/ Luxemburg 2023, 110 min
Sprache: Deutsch
Genre: Drama, Biografie
Regie: Margarethe von Trotta
Drehbuch: Margarethe von Trotta
Kamera: Martin Gschlacht
Schnitt: Hansjörg Weißbrich
Musik: André Mergenthaler
Verleih: MFA+
Darsteller: Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld, Tobias Resch, Basil Eidenbenz, Luna Wedler
Kinostart: 19.10.2023
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