Neue Notiz
In einem Land, das es nicht mehr gibt
Unter dem Radar
Ende der 80er in der DDR: Suzie wird auf der Straße fotografiert und als Model entdeckt. Jenseits von ostalgischer Nostalgie bietet Aelrun Goettes autofiktionaler Film einen erfrischend authentischen Einblick in die Modeszene der DDR.
Aelrun Goette ist vor allem für ihre abgründigen dokumentarischen Psychogramme von Frauen bekannt geworden (DIE KINDER SIND TOT). Das Drehbuch zu IN EINEM LAND, DAS ES NICHT MEHR GIBT basiert auf der eigenen Geschichte der Regisseurin. Goette durfte ebenso wie ihre Hauptfigur Suzie in der DDR erst nicht studieren, weil man sie mit einem Aufnäher der Friedensbewegung erwischte, und wurde dann Ende der 80er auf der Straße als Model für die Sybille, die Vogue des Ostens, entdeckt. Diese „Nische, in der eine Freiheit lebendig war, die ich so im Westen nie wieder erlebt habe“, so Goette, inszeniert die Filmemacherin in den besten Momenten à la SOLO SUNNY. Allerdings ist Marlene Burow nicht Renate Krößner. Sie ist wunderschön, fast ätherisch, es fehlen aber die Untiefen. Zwar deutet Goette an, welche Felder die junge Frau zu bearbeiten hat: die verstorbene Mutter, die der Vater nicht ersetzen kann, ihre Verantwortung für die kleine Schwester, ihre Naivität, mit der sie dem Modebusiness nicht gewachsen ist und das Zartbesaitete, das in einer Fabrik untergeht. Den inneren Abgrund „trifft“ Burow mit ihrem Spiel jedoch nicht immer.
Dafür vermittelt Goette jenseits von ostalgischer Nostalgie oder gut ausgeleuchtetem tristen Grau einen erfrischend authentischen Einblick in die Modeszene der DDR. Diese lag zwar nicht außerhalb des repressiven Systems, konnte aber ein wenig unter dem Radar fliegen. Für die Sibylle arbeiteten auch deshalb einige der besten Fotograf*innen der DDR - Sibylle Bergemann, Arno Fischer, Ute Mahler. Hier trifft Suzie auch auf Rudi (Sabin Tambrea), so etwas wie der schwarze Schwan des Ostberliner Untergrunds, der mit seinen queeren Freunden die Mode und das Leben exzessiv feiert. Er nimmt sie unter seine Fittiche, und das Mädchen wird erwachsen und Rudis weißer Schwan.
Deutschland 2022, 100 min
Genre: Drama, Historienfilm
Regie: Aelrun Goette
Drehbuch: Aelrun Goette
Kamera: Benedict Neuenfels
Musik: Boris Bojadzhiev
Verleih: Tobis Film
Darsteller: Marlene Burow, David Schütter, Sabin Tambrea, Claudia Michelsen, Jördis Triebel
Kinostart: 06.10.2022
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