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Hüter meines Bruders

Identitätskrise als fiebriger Thriller

Die Brüder Gregor und Pietschi könnten unterschiedlicher nicht sein: erfoglreicher Arzt der Eine, Lebenskünstler ohne Plan der Andere. Bei einem Segeltörn verschwindet Pietschi spurlos. Gregor, erst genervt, dann besorgt, macht sich auf die Suche.

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Sein charmantes Lächeln blitzt nur kurz auf in dem Film, aus dem er schnell verschwindet, und den er dann als Gespenst heimsucht, je weiter die Erzählung fortschreitet, desto erschütternder. Pietschi ist Dreißig, mit wenig Plan und, so scheint es, umso mehr Freude am Leben. Sein Bruder Gregor, zwei Jahre älter, sieht ihn nur selten, aber einmal im Jahr gehen die beiden für ein paar Tage zusammen Segeln. Diesmal aber verschwindet Pietschi, kaum hat der Trip begonnen, ohne Ankündigung, ohne Erklärung, ohne Spur. Für Gregor (Sebastian Zimmler) wirkt Pietschi (Robert Finster) wie eine gegensätzliche Folie: erfolgreicher und gewissenhafter Arzt der eine, Lebenskünstler der andere. Das Verschwinden seines Bruders nimmt Gregor erst genervt hin, mit ausbleibendem Lebenszeichen wird er aber zunehmend besorgt. Schließlich begibt er sich auf die Suche. Dass Pietschis neue Nachbarin Gregor für seinen Bruder hält, nimmt der zum willkommenen Anlass, sich Zugang zu dessen Wohnung zu verschaffen. Immer mehr nistet er sich im Leben des anderen ein, durchforstet seinen Computer, schläft in seiner Wohnung und sucht die Nähe einer Frau (Nadja Bobyleva), die er auf Fotos des Bruders als eine seiner Partnerinnen zu erkennen meint.
Je tiefer Gregor auf der Suche in das Leben seines Bruders dringt, je mehr er in dessen Haut schlüpft, desto größer werden die Fragen und desto seltener die Antworten. Das Fieberhafte seiner Suche affiziert die Form des Film selbst, immer öfter blitzen schlechtauflösende Artefakte von Pietschis Social Media Existenz in den Fluss der Erzählung. Je näher Gregor seinem rätselhaften Bruder kommt, desto fremder wird ihm das eigene Leben. Maximilian Leos Film wird da zur Geschichte einer Identitätskrise die sich als Thriller erzählt, und seine stärksten Momente dort hat, wo er in fiebriger Intensität nicht mehr wissen muss, als sein verlorener Held.

Sebastian Markt

Details

Deutschland 2014, 88 min
Genre: Drama
Regie: Maximilian Leo
Drehbuch: Susanne Finken
Kamera: Matteo Cocco
Schnitt: Dora Vajda, Fiona Brands
Musik: Martin Rascher
Verleih: imFilm Agentur + Verleih
Darsteller: Nadja Bobyleva, Sebastian Zimmler, Robert Finster, Lisa Bihl, Dagny Dewath
FSK: 16
Kinostart: 03.09.2015

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