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Helmut Newton – The Bad and the Beautiful

Anlässlich des 100. Geburtstags von Helmut Newton am 31. Oktober 2020 erzählt Gero von Boehm die bewegte und bewegende Lebensgeschichte des in Berlin geborenen - und dort begrabenen - jüdischen Starfotografen, der 1938 vor den Nationalsozialisten über Triest und Singapur nach Australien floh. Dort lernte Newton seine spätere Ehefrau June kennen und fotografierte ab den 1950ern Jahren für verschiedene internationale Ausgaben der "Modebibel" Vogue.

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Filme über Fotografen sind langweilig. So stichelt Helmut Newton gleich zu Anfang dieses ihm gewidmetem Dokumentarfilms. Ein selbstironisches Schlusswort fehlt. Denn Gero von Boehm ehrt in HELMUT NEWTON - THE BAD AND THE BEAUTIFUL posthum den berühmten Akt- und Modefotografen, der 2020 hundert Jahre alt geworden wäre. Das von Newton so spitz wie akkurat beschriebene Klischee scheint erst bedient zu werden: Klick, Klick, der Fotograf hinter seiner Kamera und sein Schwatz mit den Models. Die eine sagt, er hätte wie ein Psychoanalytiker direkt in die Seele gesehen, die nächste, er hätte sie nur als Projektionsfläche benutzt, und natürlich fehlen auch Attribute wie Voyeur und Macho nicht. Newton provoziert. Ähnlich wie der japanische Akt-Fotograf Nobuyoshi Araki spaltet er die Lager: Die eine Seite sagt, seine Kunst halte der Gesellschaft den Spiegel vor, die andere Seite sieht den puren Sexismus. Der Film schafft es dann aber doch, über diese offensichtliche Erzählebene hinauszuwachsen. Schicht für Schicht legt er die Geschichte des deutsch-österreichischen Fotografens frei: Berliner Junge der Weimarer Republik, jüdischer Geflüchteter bei NS-Übernahme, angehender Fotograf in Singapur und dann Australien. Dort trifft er seine spätere Frau June, die sein Leben lang an seiner Seite bleibt und sein Werk maßgeblich prägt. Sie die strenge Domina, er der spielende Junge: diese Geschlechterverteilung prägt Newtons Bilder. Seine Ästhetik – die Perfektion der übermächtig wirkenden Körperskulpturen – wird in den 1930er Jahren verortet, als die jüdische Fotografin Leni Riefenstahl die NS-Olympiade ablichtete, und auch das ist interessant. Ein Fotografenfilm? Das auch, und eine Zeitkapsel, die gar nicht versucht, politisch korrekt zu sein, und stattdessen Weggefährtinnen wie Charlotte Rampling und Hanna Schygulla ohne Agenda erinnern lässt.

Anna Hantelmann

Details

Deutschland 2020, 89 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Gero von Boehm
Drehbuch: Gero von Boehm
Kamera: Pierre Nativel, Marcus Winterbauer, Alexander Hein, Sven Jakob-Engelmann
Schnitt: Tom Weichenhain
Verleih: Filmwelt
Kinostart: 09.07.2020

Website
IMDB

Vorführungen

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