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Heinrich Vogeler – Aus dem Leben eines Träumers

Märchenprinz und Revolutionär

Heinrich Vogeler war der Märchenprinz des deutschen Jugendstils, der sich mit dem Barkenhoff seine eigene poetisch-künstlerische Gegenwelt in Worpswede schuf, bevor er Kommunist wurde und in der Sowjetunion arbeitete.

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Heinrich Vogeler, der der „Märchenprinz“ des deutschen Jugendstils (Klaus Modick), arbeitete als Zeichner, Maler und Illustrator, aber auch als Designer und Architekt, und schuf sich mit dem „Barkenhoff“ in Worpswede im Teufelsmoor nahe Bremen eine poetisch-künstlerische Gegenwelt zum bürgerlichen Kaufmanns-Alltag seines Vaters. Am 22. Dezember ist Heinrich Vogelers 150. Geburtstag, und Marie Noëlles Film umweht ein gewisser Duft der Auftragsarbeit. Mit dem Jugendstil-Vogeler weiß die Regisseurin nicht viel anzufangen, sein Design interessiert sie kaum. „Er war ein Verschönerer“, ist so ziemlich das Substantiellste, was von gelangweilten Kurator*innen Bremer und Worpsweder Museen in die Kamera gesagt wird. Dass Vogelers märchenhaft-verträumtes Frauenbild sich nicht mit der Realität seiner Ehe mit Martha Schröder vertrug, wird dagegen in vielen Spielszenen verdeutlicht. Dazu gibt es Verfremdungstechniken aus dem Brecht-Katalog: Darsteller*innen zerreißen die lebensgroßen Porträts ihrer Rollenfiguren und sagen Texte in Schriftsprache auf.
Interessanter wird Noëlles Film mit Vogelers politischer Wende nach dem ersten Weltkrieg. Vogeler war an der Bremer Räterepublik beteiligt und machte aus seiner Künstlerresidenz Barkenhoff in Worpswede ein Bildungsheim für die Kinder politisch verfolgter Kommunisten Er malt propagandistische Tafelbilder in einer Stilmischung aus sozialistischem Realismus und russischem Futurismus und geht schließlich mit seiner zweiten Frau Sonja Marchlewska in die Sowjetunion, um dort als Reisemaler und Bühnenbildner beim antifaschistischen Film KÄMPFER von Gustav Wangenheim und Joris Ivens zu arbeiten. Dazu passt die am frühen 20. Jahrhundert orientierte Regiemethode etwas besser, auch wenn Vogeler dann doch zum „Dissident wider Willen“ erklärt wird. Kein guter Film, aber was für eine Biografie.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Heinrich Vogeler
Deutschland 2022, 90 min
Genre: Dokumentarischer Film, Drama
Regie: Marie Noëlle
Drehbuch: Marie Noëlle
Kamera: Christoph Iwanow, Moritz Mössinger, Sabine Steckardt
Schnitt: Hans Horn, Chris Mühlbauer
Musik: Andrej Melita, Nils Wrasse
Verleih: farbfilm Verleih
Darsteller: Florian Lukas, Anna-Maria Mühe, Uwe Preuss, Johann von Bülow, Naomi Achternbusch, Samuel Finzi, Alice Dwyer
FSK: 12
Kinostart: 12.05.2022

Website

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