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Happy End

Hochkultur bis zum Abwinken

Die kleine Eve vegiftet erst ihren Hamster und dann ihre Mutter. Ihre steinreiche Familie befindet sich auf einem langsamen, stetigen Weg in die Selbstzerstörung. Michael Hanekes neuer Film, zwischen Chabrol und Gesellschaftssatire.

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Michael Hanekes Film HAPPY END beginnt mit Handybildern, wahrscheinlich einer französischen Snapchat-Variante. Die zwölfjährige Éve Laurent beobachtet gelangweilt die Routine ihrer Mutter im Bad und beim Gemüseputzen. Ihre Chatkommentare erzählen davon, wie sehr Mutti nervt, und dass sie nie zuhört. Also macht Éve Tabletten-Experimente mit ihrem Hamster, und als der umfällt, mischt sie ihrer Mutter Antidepressiva und Malariatabletten ins Essen, woraufhin die ins Koma fällt. Wir lernen die komplizierten Familienverhältnisse kennen, in die Éve nun gerät. Erst langsam erschließt sich, wer von diesen ultra-reichen Gestalten mit wem wie verwandt ist, und wer wen mit wem betrügt. Man lebt in impressionistischen Landhäusern, Renaissance-Schlössern, in Räumen mit barocken Wandmalereien. Alles stinkt von der Leinwand herunter nach fettem Geld und nach Hochkultur bis zum Abwinken.

Innerhalb dieser Gesellschaft herrschen Selbstzerstörung, Depression, Unterwerfungsfantasien, schlechte Gewissen und Rechtsanwälte, die schlechte Gewissen in möglichst geringe Abfindungen verwandeln. Die Familie hat einen Rechtsstreit wegen eines Arbeitsunfalls am Hals, Madame (Isabelle Huppert, encore) hat eine Affäre mit einem britischen Geschäftspartner (Toby Jones), Éves Vater betrügt seine zweite Frau mit einer Cellistin, die auf harten, schmutzigen Sex steht, Grand-Père ist depressiv und versucht, eine Waffe zu kaufen. Hanekes top besetzter Film erinnert an die bösen Gesellschaftssatiren von Claude Chabrol, ohne das Vergnügen an der Bosheit wirklich zu genießen. In Haneke lauert irgendwo ein großer, böser Satiriker, der sich nicht wirklich ans Licht traut, weil Haneke von der Bosheit zu empört ist. HAPPY END ist ein Vergnügen, aber es fehlt die letzte Drehung der Daumenschraube

Tom Dorow

Details

Deutschland/Österreich/Frankreich 2017, 108 min
Sprache: Französisch
Genre: Drama, Familientragödie
Regie: Michael Haneke
Drehbuch: Michael Haneke
Kamera: Christian Berger
Schnitt: Monika Willi
Verleih: X-Verleih / Warner Bros
Darsteller: Isabelle Huppert, Mathieu Kassovitz, Jean-Louis Trintignant, Fantine Harduin, Hassam Ghancy
FSK: 12
Kinostart: 12.10.2017

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IMDB

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