Aniela wird in einer kleinen Stadt im Nachkriegspolen geboren. Bei der Geburt wird ihr das männliche Geschlecht zugewiesen. Also lebt Aniela als Mann, arbeitet, heiratet Iza, bekommt ein Kind, lässt das blonde Haar schulterlang wachsen, lackiert sich die Fußnägel, trägt Rüschensocken unter der Anzugshose und zweifelt an sich, sucht sich. Sie vertraut sich Ärzten an, lässt sich Testosteron verschreiben, das sie in der Kleinstadt-Muckibude verkauft, und nimmt stattdessen heimlich die Östrogen-Präparate ihrer Mutter ein. Erst im späteren Erwachsenenalter landet sie bei einem Arzt, der ihr sagt, dass sie völlig normal sei und es nie zu spät für eine Hormontherapie ist.

Die Filmemacher*innen Małgorzata Szumowska und Michał Englert beschrieben ihr Heimatland bereits in anderen gemeinsamen Projekten (DIE MASKE, DER MASSEUR) zärtlich-bissig. In diesen Film haben sie nun 50 Jahre Politik-Lebensgeschichte gepackt. Abzulesen an einer Wand in der Kleinstadt, auf der mal ein Solidarnosc-Graffiti zu sehen ist, mal ein Abbild des Papsts Johannes Paul II., dann eine Burgerwerbung klebt. Aniela lebt im kommunistischen Polen, im religiösen Polen, im heutigen Polen, in dem eine Geschlechtsanerkennung mit einer Klage gegen die eigenen Eltern beginnt. Szenen aus Vergangenheit und Gegenwart Anielas wechseln sich ab, wirken in der Dichte manchmal skizzenhaft oder traumartig, dann stellt sich im richtigen Moment der Fokus scharf und zeigt ein realistisches Bild der Aufwendungen Anielas, emotional, sozial und finanziell. Sie landet auf der Straße, im Gefängnis, vor dem Scheidungsrichter, Freunde und Familie wenden sich ab. FRAU AUS FREIHEIT ist aber auch eine Liebesgeschichte, zwischen Aniela und Iza und vor allem Anielas zu sich selbst. In diesen Momenten der Zuwendung liegen auch die stärksten Momente. Denn allen Widerständen zum Trotz ist dies kein Leidensporträt, sondern das einer Selbstwerdung.

Clarissa Lempp