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Es ist nur eine Phase, Hase

Erschütternd wenig gelungen

Einem Paar Ende 40 ist das Knistern abhandengekommen. Sie hat eine Affäre und will eine „Pause“, in der nun beide ihre Prioritäten neu sortieren.

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Humor ist subjektiv und ich lache eher selten in deutschen Komödien, das vorneweg. Mein Humor tendiert zu schräg, leicht neben dem offensichtlich Lustigem gelegen, oder zu Kindergarten – flach, schnell, viel. Deutsche Komödien sind oft vor allem: langsam. Aus kilometerweiter Entfernung kommt ein einsamer Witz angerollt und plöppt dann gemächlich auf. Kann man machen, muss dann aber extrasupergut getimt sein. Diesmal aber klang die Sache verheißungsvoll. Der Titel ES IST NUR EINE PHASE, HASE hat eine schöne Alliteration (Kindergarten) und erinnert in seiner zeitlosen Schlichtheit an Klassiker wie SNAKES ON A PLANE oder HAI-ALARM AM MÜGGELSEE. Die Autoren des gleichnamigen Buches, Maxim Leo und Jochen Gutsch, haben in der Berliner Zeitung mal abwechselnd nette Kolumnen über Beziehungsdinge geschrieben.

Ich war also vage optimistisch und wurde schwer enttäuscht. ES IST NUR EINE PHASE, HASE ist geradezu erschütternd wenig gelungen. Es geht um ein Paar (Christiane Paul und Christoph Maria Herbst) – drei Kinder von Grundschüler bis Teenagerin, Großstadtbewohner, Kreativberufe – dem das Knistern abhandengekommen ist. Sie hat eine Affäre und will eine „Pause“, in der nun beide ihre Prioritäten neu sortieren. Eigentlich nicht so weit weg von meinem Leben und dem meiner Freund*innen. Dennoch starrte ich fassungslos auf die Leinwand. Wer waren diese Leute? Wer gerät im Alter von fast 50 im Jahr 2021 ins Stottern, wenn jemand „Masturbation“ sagt? Welcher Heimarbeiter kann zwar super mit den Kindern spielen, sich aber nicht mal ein Tiefkühlgericht warm machen? Welches Kind sagt Dinge wie „Dann zeig ihr, dass sie deine Frau ist.“? Wer hat drei Kinder und fährt ein Viersitzer-Cabriolet? Es ist quasi unmöglich, eine Bindung zu diesen Leuten aufzubauen, da sie weder Individualität noch eine Beziehung zur Realität haben. Am besten „funktioniert“ da noch Jürgen Vogel, der mit Schwung das Klischee eines älteren Mannes mit einem Junge-Frauen-Fetisch gibt und den witzigsten Satz des Films sagen darf: „Sie guckt mich immer an, als wollte sie ein Insta-Foto machen.“

Damit fallen Witze, die sich aus einer Persönlichkeit oder dem Zusammentreffen von Persönlichkeiten entwickeln, schon mal per se flach. Da alles auf Biegen und Brechen gut ausgehen muss (warum eigentlich?), haben auch die Konflikte wenig Drive. Aber auch in Sachen Slapstick, Wortwitz, Situationskomik oder Running Gags ist ES IST NUR EINE PHASE leider eine Fehlanzeige. Anstelle gut getimter Situationen gibt es eine Aneinanderreihung von Versatzstücken, die deutsche Komödien-Macher offenbar – unabhängig davon, wie man mit ihnen konkret umgeht – für witzig halten. Ein Mann in einem lustigen Kostüm. Ein Kind in einem lustigen Kostüm. Ein trauriger Mann mit einem lustigen Ballon auf einer Bank. Eine sexy Lehrerin. Eine burschikose Frau, die weniger sexy ist. Ein Männerballett. Ein altkluges Kind. Ein paar abgehangene „Männer-sind-vom-Mars-und-Frauen-sind-von-der-Venus“-Weisheiten.

Freunde, es war ermüdend. Für eine gelungene aktuelle deutsche Komödie empfehle ich COUP von Sven O.Hill, der stimmige Charaktere, einen präzisen Wortwitz und ein ausgezeichnet gutes Timing in einer restlos originellen Story verbindet.

Hendrike Bake

Details

Deutschland 2021, 105 min
Genre: Komödie
Regie: Florian Gallenberger
Drehbuch: Malte Welding, Florian Gallenberger
Kamera: Christian Rein
Schnitt: Sven Budelmann
Verleih: Majestic Filmverleih
Darsteller: Christoph Maria Herbst, Christiane Paul, Jürgen Vogel, Jytte-Merle Böhrnsen, Bettina Lamprecht, Nicola Perot, Peter Jordan
FSK: 12
Kinostart: 14.10.2021

Website
IMDB

Vorführungen

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