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Eldorado

Unterwegs mit Mare Nostrum

Im Zweiten Weltkrieg nahm die Familie des Schweizer Regisseurs Markus Imhoof ein italienisches Flüchtlingsmädchen bei sich auf. In Erinnerung an Giovanna begibt sich der Dokumentarfilmer auf die Reise zu den Flüchtenden der Gegenwart.

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Am Anfang steht eine Erinnerung. Der Schweizer Regisseur und Dokumentarfilmer Markus Imhoof (MORE THAN HONEY) denkt an Giovanna, das italienische Flüchtlingsmädchen, das er und seine Mutter vom Güterbahnhof abholen und für kurze Zeit bei sich aufnehmen, während im restlichen Europa der Zweite Weltkrieg wütet. Auch 70 Jahre später bewegt ihn ihr Schicksal und treibt ihn dazu an, dem Phänomen von Flucht und Migration nachzuspüren. Und so begleitet er schließlich die italienische Küstenwache bei einem Schiffseinsatz der Mission Mare Nostrum, die zwischen 2013 und 2014 hunderttausende Flüchtlinge aus dem Mittelmeer rettet. Wir sehen eine sich unermüdlich wiederholende Rettungsschleife, die letztendlich auch nur vortäuscht, dass die Lage unter Kontrolle sei. Imhoof zieht weiter in ein italienisches Auffanglager und von dort in ein von der Mafia unterhaltenes Ghetto, das den Abgewiesenen unter sklavenähnlichen Bedingungen Arbeit in der Landwirtschaft anbietet. Die unter erheblichem Risiko gemachten Aufnahmen zeigen eine Realität, die es offiziell in der europäischen Landwirtschaft selbstverständlich nicht gibt. Der Gewerkschafter Raffaele Falcone, der sich um die Unsichtbaren kümmert, erzählt von der Absurdität eines Systems, das indirekt auch von EU-Subventionen genährt wird. Imhoof schafft es meisterhaft, den komplexen und wahnwitzigen Kreislauf dieser weltweit verwobenen Strukturen nachvollziehbar aufzuschlüsseln und lässt dabei auch nicht die Rolle seines Heimatlandes außen vor, in dem er die beklemmenden Bunkereinrichtungen filmt, in denen Asylbewerber untergebracht werden. Als emotionaler Kompass dient dabei Imhoofs innerer Dialog mit Giovanna, der sich durch ELDORADO zieht. Die präzisen Bilder von Kameramann Peter Indergand verleihen dem Geschehen eine unheimliche Dimension, der Schnitt von Beatrice Babin einen eindringlichen Rhythmus.

Jens Mayer

Details

Schweiz/Deutschland 2018, 92 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Markus Imhoof
Drehbuch: Markus Imhoof
Kamera: Peter Indergand
Schnitt: Beatrice Babin, Thomas Bachmann
Musik: Peter Scherer
Verleih: Majestic
FSK: 6
Kinostart: 26.04.2018

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