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Elaha

Patriarchales Denkmusterkarussel

Die 22-jährige Elaha soll heiraten. In ihrer kurdischen Familie darf niemand erfahren, dass sie bereits Sex hatte

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Elaha ist zerissen. Sie liebt ihre Familie und ihre kurdische Kultur, der Regisseurin Milena Aboyan mit einer Farbpalette in künstlerisch arrangierten Grün- und Blautönen, die sich durch Setdesign und Bildgestaltung ziehen, liebevolle Würdigung erweist. Es sind die Farben eines Pfaus, der in der jesidischen Mythologie eine wichtige Rolle spielt. Elaha ist aber auch „einfach“ eine 22-Jährige, die in Deutschland lebt. Sie hat mit einem jungen Mann eine lose Beziehung aufgebaut, die vor allem darauf beruht, dass beide tief in ihrem Herzen das Alleinsein suchen. Der Mann ist nicht derjenige, den Elaha schon bald heiraten wird. Das ist Nasim, der Bruder ihrer Chefin aus der Reinigung, in der sie arbeitet. Mit ihm schaut sie sich potentielle Wohnungen an, er deckt sie auch, wenn sie mit ihren Freundinnen mal auf Party gehen will und ihre Mutter es eigentlich verbietet. Was er nicht weiß und auch niemals erfahren soll, ist, dass Elaha ihre Unschuld bereits verloren hat, Sex hatte. In ihrer Gemeinschaft so ziemlich das Schlimmste, was eine Frau tun kann. Der Verlust der Familienehre steht auf dem Spiel.

Die junge Frau lässt sich also beraten, was es kosten würde, den Zustand der Unschuld, der an sich ein abstruses Konstrukt weiblicher Unterdrückung ist, chirurgisch wiederherzustellen. Oder könnten die Kapseln mit Kunstblut in der Hochzeitsnacht helfen, die sie im Internet findet? Aboyans Dialoge lassen nachfühlen, wie Elaha mit den Erwartungshaltungen ihrer Familie und deren Werten ringt, die tief in ihr verwurzelt sind. Obwohl sie weiß, dass ihr Körper, ihr Geist und ihre Seele ihre persönlichen Räume sind, über die nur sie bestimmt. Die keinem Mann gehören. Trotzdem entkommt Elaha dem patriarchalen Denkmusterkarussell ebenso wenig wie Nasim. Dieses sehr zart gebaute, fein nuancierte Stück Filmkunst zeigt: ALLE Menschen leiden an misogynen Machtstrukturen. Eine unglaublich in sich ruhende und gleichzeitig aus sich herausgehende Bayan Layla – selten hat man in den letzten Jahren eine so starke Performance im deutschen Film gesehen – , spielt aus tiefstem Herzen diese Frau, die am Ende eine Entscheidung trifft, die die Anderen mit sich selbst konfrontiert.

Ein Werk kann es sich nicht aussuchen, wann es das Licht der Welt erblickt, gleichzeitig ist seine Schaffensperiode vom Zeitgeist durchdrungen. Weltweit erstarken radikale Kräfte, Diskussionen werden zunehmend polarisierend geführt. Es kommt nicht von ungefähr, dass, um schlaglichtartig Beispiele zu nennen, die AFD, den Wert der „traditionellen“ Familie stärken will, aber damit unter anderem meint, dass den Frauen, die Gleichberechtigung abgesprochen werden soll. Dass die Terroristen der Hamas sich auch ganz gezielt Frauen ausgesucht haben, um diese abzuschlachten, zu töten und öffentlich zu demütigen, dass das iranische Regime gerade Frauen mundtot machen will. Dieser Film ist deshalb eine wichtige differenzierende Stimme im Diskurs um Kultur, Religion und Identitätspolitik, denn er wertet nicht, macht sich nicht parteiisch. Und öffnet Orte der Begegnung, ermöglicht Reibungen und Austausch

Susanne Kim

Details

Deutschland 2023, 110 min
Sprache: Kurdisch, Deutsch
Genre: Drama
Regie: Milena Aboyan
Drehbuch: Milena Aboyan, Constantin Hatz
Kamera: Christopher Behrmann
Schnitt: Elias Engelhardt
Musik: Kilian Oser
Verleih: Camino Filmverleih
Darsteller: Bayan Layla, Derya Durmaz, Derya Dilber, Armin Wahedi Yeganeh, Cansu Leyan
FSK: 12
Kinostart: 23.11.2023

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