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Dune

Alles sehr, sehr ernst

Villeneuves DUNE sieht super aus und ist weniger langweilig als das Buch, auf dem Soundtrack rummst und dröhnt Hans Zimmer, die Besetzung besteht durchweg aus Stars, deren Hauptjob es ist, ernst und angespannt auszusehen.

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„Feel the wrath of my bombast!” – The Fall

DUNE ist vermutlich das letzte große Boomer-Franchise, nach STAR WARS mit seinen Zen-Anleihen und Muppets, dem Herrn der Ringe mit seiner Heroisierung des Ethno-Pluralismus, den Marvel- und DC-Universen, in denen nur gelegentlich versucht wurde, die staubigeren Elemente des Geistes der 60er Jahre auszutreiben. Frank Herberts „Dune“ war Mitte der sechziger Jahre ein Erfolgsbuch der neuen Hippie-Esoteriker, die von einer neuen, mystischen Zeit des kosmischen Bewusstseins träumten. Kosmisches Bewusstsein ist heute eher eine Frage von Wissenschaft, Technik, Ethik und Ökologie als von bekifften Gefühlen auf dem Sofa. Aber egal: die nächsten zehn, zwanzig Jahre über werden wohl zunächst weiter hunderte Millionen in DUNE gesteckt, zumal der Film von Denis Villeneuve (180.000.000 $) gerade mal die erste Hälfte des ersten Romans des Zyklus umfasst. Es gibt insgesamt sechs Bände von Herbert selbst, dazu zwei posthum erschienene Prequels. Stoff ist also mindestens so viel vorhanden wie von der Wunderdroge „Spice“ auf dem Wüstenplanet.

DUNE dürfte ein großer Erfolg werden. Das investierte Geld sieht man Villeneuves Film in jeder Einstellung an. Als Überwältigungskino ist Denis Villeneuves Film ohne Zweifel herausragend. Die CGI-Effekte sind bombastisch und so sehr auf dem Stand der Technik, dass die Glaubwürdigkeit der Effekte mindestens für die nächsten paar Jahre gewahrt bleiben wird. Das High-Tech-Retro-Design orientiert sich eher an Ferdinand Porsche als an Star Wars: schicke Ovale, stromlinienförmige Formen. Die libellenartigen Fluggeräte dürften demnächst als Strandspielzeug wiederkehren. Selbst die umständliche, zähe und von inneren Monologen endlos gestreckte Handlung der Romanvorlage ist ordentlich gestrafft, Nebenfiguren werden wie Gespenster herbeizitiert und sind kurz nach ihrem ersten Auftritt schon wieder verschwunden. Villeneuves DUNE sieht super aus und ist weniger langweilig als das Buch, auf dem Soundtrack rummst und dröhnt Hans Zimmer, die Besetzung besteht durchweg aus Stars, deren Hauptjob es ist, ernst und angespannt auszusehen. Das machen sie soweit alle gut. Der hübsche präraffaelitische Star Timothée Chalamet spielt die Hauptrolle, den zukünftigen Erlöser wider Willen Paul Atreides.

Worum es geht: In einem feudal-faschistisch organisiertem Kosmos, deren wichtigste Ressource die Droge „Spice“ ist, die längeres Leben und erhöhte Fähigkeiten verleiht, liegen drei Dynastien im Streit: das stiernackige Haus Harkonnen, das etwas weniger faschistoide Haus Atreides und der „Imperator“. Der Imperator hat das Lehen des Wüstenplaneten Arrakis oder „Dune“ dem Baron Harkonnen (Stellan Skarsgård) entzogen und dem Haus Atreides unter dem Herzog Leto (Oscar Isaac) übertragen. Nur auf Dune kann das Spice abgebaut werden, dass zum interstellaren Reisen benötigt wird. Duke Leto vermutet eine Falle, und tatsächlich haben sich Harkonnen und der Imperator verschworen, um das Haus Atreides zu Fall zu bringen. Vor diesem Hintergrund tauchen weitere Player auf: Paul, der Sohn des Herzogs Leto und seiner Konkubine Lady Jessica, die einer geheimnisvollen magischen Frauen-Sekte, den Bene Gesserit angehört, ist von ihr als designierter Erlöser geboren worden. Er ist Teil ist eines großen Plans, von dem wir im ersten Teil nicht viel erfahren. Immerhin wird Paul von einer Hohepriesterin (Charlotte Rampling) geprüft. Die Bene Gesserit haben sehr eigene, finstere Vorstellungen davon, was „ein Mensch“ ist. Auf dem Wüstenplaneten selbst gibt es außerdem die unterdrückten Indigenen Fremen, die ebenfalls auf einen Erlöser, den „Muad’Dib“ warten, und von denen Paul in finsteren Visionen träumt. Die „Fremen“ sind arabisch-orientalisch gekleidet und auch ihre Sprache ist an das Arabische angelehnt. Hans Zimmer hat ihnen eine lyrisch-orientalisiertes Musikthema zugeordnet.

Herberts Roman ist als Kritik an – auch popkulturellen – Heldenmythen und teleologischen Religionen aufgefasst worden. Herbert war von Zen und Sufismus beeinflusst und steht in der Tradition der Setzung eines neuen „New Age“-Mystizismus gegen traditionelle religiöse Dogmen. Ob diese Gedankenwelt noch Antworten auf die Gegenwart liefern kann, ist eher zweifelhaft. Dass es einen Backlash in muslimischen Ländern und in der postkolonialen Linken gegen DUNE geben könnte, lässt sich nicht ausschließen. Herbert zitiert Kulturen herbei, als schwebe er über der Geschichte. Denis Villeneuve nimmt das, anders als David Lynch in seiner grotesken Steampunk-Version der Geschichte, alles sehr, sehr ernst. Es gibt keine Spur von Humor, keine Niedlichkeiten, im ersten Teil auch keinen Sex. Nichts lenkt von der Wucht der Landschaften, der soldatischen Formationen der verschiedenen Dynastien, vom retrofuturistischen Design ab. Alles ist heiliger Ernst, Prophezeiung, Untergang und Seelentiefe. Der erste Teil des Franchises ist nicht mehr als eine zweieinhalbstündige Exposition, die den Aufstieg Pauls vorbereitet, aber alles ist im Modus des Erhabenen, des Pathos gehalten. Flucht ist sinnlos, dem Wüstenplanet wird kaum jemand in den nächsten Jahrzehnten entkommen.

Tom Dorow

Details

USA 2021, 155 min
Sprache: Englisch
Genre: Science Fiction, Abenteuer, Literaturverfilmung
Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: Eric Roth, Denis Villeneuve, Jon Spaiths
Kamera: Greig Fraser
Schnitt: Joe Walker
Musik: Hans Zimmer
Verleih: Warner Bros.
Darsteller: Timothée Chalamet, Zendaya, Jason Momoa, Javier Bardem, Josh Brolin, Rebecca Ferguson, Dave Bautista, Stellan Skarsgård, Charlotte Rampling, Oscar Isaac
FSK: 12
Kinostart: 16.09.2021

Website
IMDB

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