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Dreissig

Raum für Spekulation

Hommage an eine Generation, die über den Sinn des Lebens philosophiert, aber auf keinen Fall zu streng mit sich sein will.

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Ein Tag, eine Nacht und eine lose Clique aus sechs jungen Menschen, die ihr Glück suchen. Der programmatische Titel von Simona Kostovas Spielfilmdebüt lautet: DREISSIG. Drehort ist Berlin. Und zwar nicht irgendwo, sondern in Neukölln, dem Szenekiez für hippe Dreißigjährige. Was für ein Film folgt, ist nicht schwer zu erraten. Zwischen der nächsten großen Reise, der letzten Vernissage und anhaltender Trennungskrise wird ordentlich gefeiert. Der dreißigste Geburtstag von Schriftsteller Övünç (Övünç Güvenişik) muss begossen werden. Seine vierköpfige Crew und eine neue Bekanntschaft von der Eckkneipe sind natürlich am Start. Neuköllns andere Seite als Arbeiter- und Einwandererviertel sucht man an Kostovas Drehorten vergebens – bis auf die arabische Musik im Taxi und das billige Imbissfrühstück im Morgengrauen. Die schlicht schönen WG-Zimmer, Vintage-Klamotten und zwischen Jazz und Techno oszillierenden Bars könnten auch in jeder anderen Metropole der Welt sein. So ist der Film weniger eine Hommage an Berlin als an eine Generation, die über den Sinn des Lebens philosophiert, aber auf keinen Fall zu streng mit sich sein will. Lebensentwürfe werden nur angerissen und lassen viel Raum für Spekulation, wenn das Stimmengewirr in der Bar oder der Mixer in der kleinen WG-Küche alles übertönt. Und so bleiben die Schicksale der einzelnen Protagonisten abstrakt, Momentaufnahmen dominieren. Von den statischen Einstellungen am Anfang gleitet die Kamera in immer fließendere Bewegungen, bis sie ganz im Strudel der Nacht aufgeht. Das Bild verharrt allein, um Momente von Leere und Nichts einzufangen – und die gibt es zu Genüge. So wie manche Nächte endlos sind, aber nicht unbedingt gefüllt. Stattdessen erscheint DREISSIG als ein großes Vakuum für die Gefühle, die man mit dieser Lebenszahl heute assoziiert. Statt festem Job, Heirat, Kindern: eine Ansammlung von Flüchtigkeiten.

Anna Hantelmann

Details

Originaltitel: Mu and the Vanishing World
Deutschland 2019, 120 min
Sprache: Deutsch
Genre: Drama, Geschichte einer Freundschaft, Großstadtfilm
Regie: Simona Kostova
Drehbuch: Simona Kostova
Kamera: Anselm Belser
Schnitt: Simona Kostova
Verleih: déjà-vu film
Darsteller: Övünc Güvenisik, Pascal Houdus, Raha Emami Khansari, Kara Schröder, Henner Borchers
Kinostart: 23.07.2020

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