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Dora … oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern

Abnabelung mit Paukenschlag

Die 18-jährige Dora ist geistig behindert. Als die junge Frau sich auf ein sexuelles Abenteuer einlässt, führt das zu heftigen Verwerfungen in der Eltern-Kind-Beziehung. DORA verhandelt klug und sensibel, was unter Selbstbestimmung fällt und wo Missbrauch anfängt, wann Verantwortung wahrgenommen werden muss und wann es Zeit ist, loszulassen.

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Ein Kind wird erwachsen. Dieser Vorgang fällt den Beteiligten meistens nicht ganz leicht. Im Fall von Dora sind die Hürden noch etwas höher gesteckt, denn sie ist geistig behindert. Zwar wird sie mit ihrem 18. Geburtstag mündig wie andere Bürger auch, aber sie kann oft die Konsequenzen ihres Handelns nicht abschätzen. Zudem lebt sie sehr behütet in ihrem liebevollen Elternhaus und kann es sich leisten, kindlich aufzutreten. Zur Volljährigkeit bekommt Dora ein rotes Kleid geschenkt, das sie schon mal optisch in die neue Lebensphase als erwachsene Frau rückt. Außerdem beschließt ihre Mutter, die diversen Beruhigungspillen abzusetzen, mit denen Doras Temperament bisher gezügelt wurde. Sah man die Welt eben noch verschwommen durch die pharmagetrübten Augen des Mädchens, so wohnen wir nun einem Dornröschenerwachen bei, das es in sich hat. Zielstrebig stürzt sich Dora in ein sexuelles Abenteuer, das heftige Verwerfungen in der Eltern-Kind-Beziehung nach sich zieht. Das, was sich abspielt, ist nicht einfach der geistigen Behinderung der Hauptfigur zuzuschreiben. Was Dora geschieht, erleben jährlich Tausende Teenager, ohne dass sich die Gesellschaft berufen fühlt, einzuschreiten. Doras Besonderssein wirkt jedoch wie ein Vergrößerungsglas für die Ambivalenzen von Elternschaft. Nicht nur Doras Eltern, auch mitfühlende Zuschauer stehen manchmal kurz vorm Herzkasper angesichts der drohenden Eskalationen. Zur Beruhigung: Regisseurin Stina Werenfels bringt zwar moralische Grenzbereiche mitten in der Schmerzzone zur Sprache, aber weidet das mögliche Schicksal der Protagonistin nicht bis ins Unerträgliche aus. Vielmehr wird klug und sensibel verhandelt, was unter Selbstbestimmung fällt und wo Missbrauch anfängt, wann Verantwortung wahrgenommen werden muss und wann es Zeit ist, loszulassen. Autonomie heißt auch: ein Recht auf Fehler.

Anna Stemmler

Details

Originaltitel: Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern
Deutschland/Schweiz 2014, 90 min
Genre: Drama
Regie: Stina Werenfels
Drehbuch: Boris Treyer, Stina Werenfels
Kamera: Lukas Strebel
Schnitt: Jann Anderegg
Musik: Peter Scherer
Verleih: Alamode Filmverleih
Darsteller: Urs Jucker, Lars Eidinger, Jenny Schily, Victoria Schulz
FSK: 16
Kinostart: 21.05.2015

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