Neue Notiz
Die Mitte der Welt
Lässige Bestsellerverfilmung
Die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Andreas Steinhöfel erzählt entspannt und mit gelegentlichen Fantasyelementen von einer schwulen ersten Liebe, bei der nicht die sexuelle Orientierung, sondern die überbordenden jugendlichen Emotionen im Mittelpunkt stehen.
Ein ganz normales Landei, sagt Protagonist Phil in DIE MITTE DER WELT über sich. Ein bisschen schwuler vielleicht als andere, aber ansonsten Standardausstattung. Diese – zumal für einen 17-jährigen in der Provinz – sehr entspannte Selbsteinschätzung ist der Knackpunkt, der die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Andreas Steinhöfel zu einem so wunderbaren Kino-Ereignis macht. Denn wo es sonst, wenn das deutsche Kino von homosexuellen Jugendlichen erzählt (was selten genug der Fall ist), um problematische Coming-outs geht, ist hier lässige Selbstverständlichkeit angesagt. Dass Phil (Louis Hofmann) auf Jungs steht, ist nämlich weder ein Geheimnis in der Schule noch ein Problem für seine Familie. Was aber natürlich nicht heißt, dass es zuhause im verwunschen-verwitterten Anwesen Visible mit Mutter (Sabine Timoteo) und Schwester (Ada Philine Stappenbeck) sonderlich unkompliziert zu gehen würde. Doch familiäre Streitigkeiten und Geheimnisse treten für Phil erst einmal in den Hintergrund, als er seinen neuen Mitschüler Nicholas (Jannik Schümann) kennen lernt – und es nicht lange beim Schwärmen aus der Distanz bleibt.
Ganz bewusst lässt der österreichische Regisseur Jakob M. Erwa (HOMESICK) die mit Fantasy-Elementen durchzogene Familiengeschichte immer wieder in den Hintergrund treten und konzentriert sich auf das Aufblühen der ersten Liebe. Eine gute Entscheidung, denn derart mitreißend, euphorisch, überbordend und damit wahrhaftig wie in DIE MITTE DER WELT hat man jugendliche Emotionen schon lange nicht mehr auf der Leinwand gesehen. Erwa und seine wunderbaren Schauspieler nehmen sich den Figuren und ihrer Gefühle einfühlsam an. Aber es ist nicht zuletzt die Natürlichkeit, mit der eben auch Körperlichkeit und Sexualität ein fester Bestandteil dieser Geschichte sind, die DIE MITTE DER WELT zu einer echten Ausnahmeerscheinung im deutschen Kino macht.
Deutschland/Österreich 2016, 115 min
Genre: Drama, Familienfilm
Regie: Jakob M. Erwa
Drehbuch: Jakob M. Erwa
Kamera: Ngo The Chau
Schnitt: Carlotta Kittel
Musik: Paul Gallister
Verleih: Universum / DCM
Darsteller: Sabine Timoteo, Jannik Schümann, Louis Hofmann, Ada Philine Stappenbeck, Svenja Jung
FSK: 12
Kinostart: 10.11.2016
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