Magazin für unabhängiges Kino
Filmwecker
Filmnotiz

Neue Notiz

Die Gewerkschafterin

Haarsträubende Ermittlungen

Wirtschafts- und Justizkrimi nach wahren Begebenheiten: Maureen Kearney vertritt als Betriebsrätin 50.000 Angestellte des französischen Nuklearunternehmens Areva. Als sie sich gegen eine geplante Kooperation mit chinesischen Investoren engagiert, wird sie in ihrem Haus überfallen.

Mehr

Nachdem Isabelle Huppert in EO eine der schlechtesten Performances ihrer Karriere abgeliefert hat, ist sie in DIE GEWERKSCHAFTERIN mit voller Wucht zurück. Sie spielt Maureen Kearney, die als Betriebsrätin 50.000 Angestellte des französischen Nuklearunternehmens Areva vertritt. Als sie mitbekommt, dass der neue Chef beim Bau von Atomkraftwerken künftig mit chinesischen Firmen kooperieren will, befürchtet sie einen Ausverkauf von Betriebsgeheimnissen und den Verlust von Arbeitsplätzen und geht in die Offensive.

Unermüdlich – ihr netter Mann Gilles (Grégory Gadebois) und die erwachsenen Kinder kennen das schon – recherchiert sie Tag und Nacht, informiert die Presse und nervt die Entscheider in Wirtschaft und Politik. Dann wird sie in ihrem eigenen Haus überfallen. Der Attentäter fesselt sie in der Waschküche an einen Stuhl, ritzt ihr ein A in den unteren Bauch und steckt das Messer mit dem Griff zuerst in ihre Vagina. Ab diesem Ereignis unternimmt die Erzählung eine Wende. Aus dem Wirtschaftskrimi, der von windigen Verbindungen zwischen Politik und Großindustrie unter Hollande erzählte, wird ein Gerichtsdrama, das den Winkelzügen der nun folgenden haarsträubenden Ermittlungen und Prozesse folgt: Anstatt die Täter zu ermitteln, zieht der junge Kommissar, der mit dem Fall betraut ist, Kearneys Aussage in Frage. Sie sei, heißt es wieder einmal, keine glaubhafte Zeugin – zu beherrscht und rational.

Isabelle Huppert spielt Kearney als eine Einzelkämpferin, die alles der Arbeit an der Sache und den Fakten unterordnet. Die persönlichen Befindlichkeiten und die Familie müssen bei Bedarf ebenso zurückstehen wie ihre Frisur, die immer vorzeigbar ist, aber nie ganz so perfekt wie die ihrer glatten Gegenüber aus Wirtschaft und Politik. Zugleich verkörpert Huppert eine Verletzlichkeit, die nur in privaten Momenten und kleinen Gesten sichtbar ist. Die Belastung und die Bedrohung gehen an der fast 60-jährigen Kearney nicht spurlos vorbei, und das Verhalten der Justiz nach dem Anschlag lässt sie fassungslos zurück. Allerdings nicht für lange.

DIE GEWERKSCHAFTERIN basiert auf dem Buch La Syndicaliste (2019) der französischen Investigativ-Journalistin Caroline Michel Aguirre und folgt den Windungen und Umwegen, die der reale und in Deutschland wenig bekannte Fall, der sich 2012 zugetragen hat, genommen hat. Dadurch ergibt sich keine klassische Thrillerdramaturgie, und nicht alle Verwicklungen werden aufgeklärt, dennoch – oder vielleicht deswegen - ist DIE GEWERKSCHAFTERIN außerordentlich spannend.

Hendrike Bake

Details

Originaltitel: La syndicaliste
Deutschland/Frankreich 2022, 122 min
Sprache: Französisch
Genre: Thriller, Drama
Regie: Jean-Paul Salomé
Drehbuch: Fadette Drouard, Jean-Paul Salomé
Kamera: Julien Hirsch
Schnitt: Valérie Deseine
Musik: Bruno Coulais
Verleih: Weltkino
Darsteller: Isabelle Huppert, Alexandra Maria Lara, Grégory Gadebois, Yvan Attal, Marina Foïs, Pierre Deladonchamps, François-Xavier Demaison
FSK: 16
Kinostart: 27.04.2023

Website
IMDB

Vorführungen

Keine Programmdaten vorhanden.

ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.