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Die Geheimnisse des schönen Leo

Der MfS-Offizier strahlt

Leo Wagner, Gründungsmitglied der CSU und Vertrauter von Strauß, liebte das süße Leben und ließ es sich auch von der Stasi finanzieren. Sein Enkel Benedikt Schwarzer zeichnet das Bild eines gefühlskalten Mannes, dessen moralische Werte am eigenen monetären Interesse und Lustgewinn enden.

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Schön war Leo Wagner eigentlich nicht. Mit seiner dicken Brille und dem zurückweichenden Haaransatz erinnert er eher an eine weniger lustige Version von Heinz Erhardt. Und auch wenn er dies wohl mit einem charmanten Lächeln ausgleichen konnte, waren es hauptsächlich die schönen Frauen, mit denen sich Wagner gerne umgab, die zu dem Spitznamen führten. Das Gründungsmitglied der CSU und der enge Vertraute von Franz Josef Strauß liebte das süße Leben und es war kein großes Geheimnis, dass er gerne im Kölner Rotlichtviertel viel Geld für Champagner und weibliche Begleitung ausgab und sich mehr als eine Geliebte hielt. Die Tatsache, dass er sich diese Exzesse immer weniger leisten konnte, war unter Anderem der Stasi bekannt, die für kleine Gefälligkeiten größere Summen zahlte. Ob eine dieser Gefälligkeiten die Enthaltung während des als gesichert angesehenem Misstrauensvotums der CSU/FDP gegen Willy Brandt im Jahre 1972 war, ist eines der Geheimnisse, die Benedikt Schwarzer in seinem Dokumentarfilm erforscht. Für Schwarzer hat dies noch eine persönliche Ebene, da die Umtriebigkeit und Gefühlskälte von Leo dessen Frau Elfriede, Schwarzers Großmutter, in den Alkoholismus getrieben und zu einer Spaltung der Familie geführt hat. Dabei bleibt Leo im Wesentlichen ein Phantom. Er ist das Urbild des Politikers, bei dem moralische Werte am eigenen monetären Interesse und Lustgewinn enden. Viele seiner ehemaligen Parteifreunde wollen sich nicht öffentlich zu ihm äußern, und nur der verantwortliche MfS-Offizier beginnt, bei der Erinnerung an ihn zu strahlen. In der Familie ist Schwarzers Mutter die einzige Verwandte, die sich überzeugen lässt, über den Mann zu reden, der sie nach einem Selbstmordversuch sterben lassen wollte. Der Film schafft zwar keine tieferen Einblicke in die Person Leo Wagner, dokumentiert dafür aber umso mehr den piefig-verfilzten Geist, der die Bonner Republik bestimmte.

Christian Klose

Details

Originaltitel: Die Geheimnisse des Schönen Leo
Deutschland 2018, 80 min
Genre: Dokumentarfilm, Biografie, Familiengeschichte
Regie: Benedikt Schwarzer
Drehbuch: Benedikt Schwarzer
Kamera: Julian Krubasik
Musik: Alexander Maschke, Michael Lauterbach
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 17.01.2019

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