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Die Blumen von Gestern

Perfekter Balanceakt

Der Historikerkauz Toto Blumen und seine Praktikantin in der „Zentralen Stelle Ludwigsburg zur Aufklärung von NS-Verbrechen“, die völlig überspannte Französin Zazie, bilden das herrlichste Screwballpaar des deutschen Films seit Jahrzehnten.

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Toto Blumen ist ein Kämpfer für die gute Sache. Deshalb schlägt er seinen Kollegen Balthasar Thomas krankenhausreif, als der es wagt, Sponsoren für die Häppchen beim großen Ausschwitz-Kongress akquirieren zu wollen. Holocaustforschung ist Blumens Leben, als Vertreter der reinen Lehre ist er kompromisslos. Süße Rache von Thomas: Er jubelt Blumen die junge, völlig überspannte Französin Zazie als Praktikantin unter, und geboren ist das herrlichste Screwballpaar des deutschen Films seit Jahrzehnten. Wie sich Toto und Zazie ihre Neurosen und Komplexe gegenseitig vor die Füße schmeißen, um anschließend gemeinsam drüberzustolpern, das ist auf fast schon alberne Weise komisch. Und befreiend dazu: Eine Komödie im Milieu der Zentralen Stelle Ludwigsburg zur Aufklärung von NS-Verbrechen kann kräftig schief gehen, entweder weil alles zu schwer oder weil alles zu leicht genommen wird. Chris Kraus, der in seinen bisherigen Filmen die Auswirkungen der deutschen Geschichte eher schwerblütig behandelt hat, findet in DIE BLUMEN VON GESTERN die perfekte Balance, wenn sich Zazie und Toto zoffen, wenn Toto und Balthasar rivalisieren. Schließlich, nach einer Stunde Irrwitz, kommt der Film zu seiner Haupthandlung, der Liebesgeschichte eines Täter-Enkels und einer Opfer-Enkelin. Doch auch dann schafft es Kraus, die Leichtigkeit zu erhalten, unter tätiger Mithilfe seiner großartigen Darsteller: Lars Eidinger, der als verzweifelt komischer Historikerkauz brilliert, Adèle Haenel, französischer Jungstar, die sich in ein paar Wochen perfekt Deutsch beigebracht hat, Jan Josef Liefers als schmieriger Holocaust-Archivar auf der Suche nach Drittmitteln… Und da kann es dann schon mal passieren, dass Mercedes als großer Sponsoring-Partner auftritt. Und vorsichtig anfragt, ob eine Holocaust-Überlebende bei ihrem Vortrag vielleicht einen Stern tragen möge.

Harald Mühlbeyer

Details

Originaltitel: Die Blumen von gestern
Deutschland/Frankreich/Österreich 2016, 124 min
Genre: Drama, Komödie
Regie: Chris Kraus
Drehbuch: Chris Kraus
Kamera: Sonja Rom
Musik: Annette Focks
Verleih: Piffl Medien
Darsteller: Hannah Herzsprung, Adèle Haenel, Lars Eidinger, Jan Josef Liefers, Rebecca Hildebrandt
FSK: 12
Kinostart: 12.01.2017

Website
IMDB

Vorführungen

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