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Die andere Seite der Hoffnung

Solidarität der Underdogs

Der Mechaniker Khaled flüchtet von Syrien aus durch halb Europa und landet als blinder Passagier in Helsinki. Der Handelsvertreter Wikström verlässt seine alkoholkranke Frau und seinen Job als Händler von Hemden und kauft ein heruntergewirtschaftetes Restaurant, in dem er auch Khaled beschäftigt.

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Aki Kaurismäki ist schon seit Jahren Stammgast der Berlinale. Der zweite Teil seiner mit LE HAVRE begonnenen „Hafen-Trilogie“ über die globalisierte Welt war nun sein Debüt im diesjährigen Berliner Wettbewerb. Und das völlig nachvollziehbar, denn DIE ANDERE SEITE DER HOFFNUNG behandelt mit der „Flüchtlingskrise“ nicht nur ein hochaktuelles Thema, sondern lebt auch vom typischen lakonischen Tonfall und dem feinen Humor Kaurismäkis. Seine unterhaltsame Tragikomödie folgt der Retro-Künstlichkeit, die den Kinokosmos des Finnen seit jeher auszeichnet, wenn die Figuren etwa in viel zu alten Autos durch die Gegend fahren.

Der junge Mechaniker Khaled (Sherwan Haji) flüchtet von Syrien aus durch halb Europa und landet schließlich zufällig als blinder Passagier auf einem Kohlefrachter in Helsinki. Seinen Asylantrag schmettert die Einwanderungsbehörde mit dem Verweis auf die verbesserte Sicherheitslage in Aleppo ab. Also bleibt der Syrer illegal in Finnland und schlägt sich auf der Straße durch. Parallel beginnt der Handelsvertreter Wikström (Sakari Kuosmanen) ebenfalls ein neues Leben, indem er seine alkoholkranke Frau verlässt und seinen Job als Händler von Hemden und Krawatten aufgibt. Mit dem Gewinn aus einem Hinterzimmer-Pokerspiel kauft der gutherzige Wikström ein heruntergewirtschaftetes Restaurant samt drei Mitarbeitern. Als Khaled eines Nachts im Hinterhof des Lokals übernachtet, kommt es am nächsten Morgen zu einem kleinen Faustkampf mit Wikström. Doch schon einen Schnitt später sind die beiden versöhnt. Fortan unterstützt der alte Finne den jungen Flüchtling, den er mit falschen Papieren als Tellerwäscher und Putzmann anstellt.

Bei Aki Kaurismäki avancieren die kleinen Leute und gesellschaftlichen Verlierer regelmäßig zu Helden, wobei der Aufbruch in ein neues Land oft der Schlusspunkt seiner Filme ist, etwa in ARIEL oder LENINGRAD COWBOYS GO AMERICA. DIE ANDERE SEITE DER HOFFNUNG beginnt hingegen damit, dass Khaled Finnland erreicht und dort zunächst Ablehnung erfährt. Erst in der Solidargemeinschaft mit Wikström und seinen Mitarbeitern findet er Anschluss an ein neues Leben. So entspinnt sich der neue Kaurismäki als Plädoyer für gelebte Solidarität und Kritik an behördlicher Engstirnigkeit. Besonders eindrücklich gelingt das, als Kaurismäki die Ablehnung von Khaleds Asylantrag mit Nachrichtenbildern von der Bombardierung Aleppos konterkariert. Einen so starken Realitätsbezug hatte in der märchenhaften Kaurismäki-Welt bislang nur ARIEL.

Aki Kaurismäki zeichnet aber kein differenziertes Bild der komplizierten gesellschaftspolitischen Lage. Gut und Böse, menschlich und unmenschlich sind in seinem Film klar voneinander getrennt, Grauzonen gibt es keine. Stattdessen ergreift seine wortkarge Flüchtlingskomödie Partei für die Abgehängten und führt eine utopische Solidarität der Underdogs ins Feld. Bei aller Ernsthaftigkeit des Themas bringt Kaurismäki aber auch seinen trockenen Humor an, der bisweilen in Slapstick ausartet, wenn Wikström immer neue Geschäftsideen durchspielt und zwischenzeitlich das wohl mieseste Sushi der Welt verkauft.

Gefilmt wurde DIE ANDERE SEITE DER HOFFNUNG ganz klassisch auf 35mm-Material, was der satten Farbgebung und dem generellen Retro-Anstrich entgegen kommt. Auch sonst versammelt der neue Kaurismäki die Stilmittel des Finnen, mit wiederkehrenden Figuren, der zentralen Bedeutung der Musik und der prägnanten Verknappung des Geschehens. Nach außen hin zeigen Wikström und die anderen schweigsamen Figuren kaum eine Regung, doch in ihrem Innern waltet ein starker Humanismus. Aiuf der Berlinale wurde DIE ANDERE SEITE DER HOFFNUNG dafür mit dem silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet.

Christian Horn

Details

Originaltitel: Toivon tuolla puolen
Finnland 2017, 98 min
Genre: Drama
Regie: Aki Kaurismäki
Drehbuch: Aki Kaurismäki
Kamera: Timo Salminen
Schnitt: Samu Heikkilä
Verleih: Pandora Film
Darsteller: Kati Outinen, Tommi Korpela, Sakari Kuosmanen, Sherwan Haji
FSK: 6
Kinostart: 30.03.2017

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