Neue Notiz
Der Leuchtturm
Einsame Männer
THE LIGHTHOUSE erzählt von zwei Männern, deren Einsatz als Leuchtturmwärter auf einer einsamen Felseninsel länger dauert als geplant, bis die Nahrung und der Alkohol knapp werden.
Robert Eggers interessiert sich für den Wahnsinn, der aus Einsamkeit, Drogen, Aberglaube, Hunger und Isolation entsteht. Sein erster Film THE WITCH erzählte von einer amerikanischen Siedlerfamilie im 18. Jahrhundert, in der nach dem rätselhaften Verschwinden eines Babys Hexenglauben und Paranoia ausbrechen. THE LIGHTHOUSE erzählt von zwei Männern, deren Einsatz als Leuchtturmwärter auf einer einsamen Felseninsel länger dauert als geplant, bis die Nahrung und der Alkohol knapp werden. Eggers Film kreuzt den realistischen Horror von Jack London – vor allem dessen Kurzgeschichte “In a Far Country“, in der zwei Männer den dunklen Polarwinter am Yukon zu überleben versuchen – mit den fantastischen und ironischen Meereshorrorgeschichten von H.P. Lovecraft und den existentialistischen, wortgewaltigen Seemannsgeschichten von Herman Melville und hat es tatsächlich geschafft, daraus ein faszinierendes, spannendes, komisches und sehr bedrohliches Monstrum von einem Film zu produzieren.
Das erste Bild sieht aus wie eine der „Seascapes“-Fotografien des japanischen Fotographen Hiroshi Sugimoto, der die Grenze zwischen Meer und Himmel mal als klare Trennung zwischen zwei Grautönen zeigt, mal als einen nebligen Verlauf. Es sind Bilder, die so ruhig wie bedrohlich wirken können, aber immer eine Dimension besitzen, die über ihre Materialität hinaus zu weisen scheint. In Eggers Film ist der Horizont über dem nebligen Meer nicht auszumachen. Aus dem sanften Grau, das die Leinwand ausfüllt, bildet sich erst allmählich die Silhouette eines Schiffs heraus. An seinem Bug stehen die beiden Männer, von denen der Film erzählen wird, und schon dieses erste Bild deutet an, dass sie in einem gleichgültigen Nichts verschwinden werden. Das Meer, das sie überqueren, ist real und zugleich der das Totenreich umschließende Acheron.
Zwischen den beiden Männern, dem knorrigen Leuchtturmwärter Wake (Willem Dafoe) und dessen mysteriösem neuen Assistenten Winslow (Robert Pattinson) beginnt sofort ein Machtkampf. Wake ist Hüter der heiligen Leuchtturmflamme, Winslow hat den Dreck beiseite zu schaffen, die Nachtöpfe zu leeren, die Fürze des Älteren zu ertragen. Wake trinkt, Winslow nicht. Wake betet und flucht in Originalzitaten aus Melville-Texten, Winslow schlägt sich mit bösartigen Möwen herum und beginnt allmählich unheimliche Dinge wahrzunehmen. Die Lage eskaliert, als auch Winslow zu saufen beginnt. Die Bilder kippen von einem gerade noch realistischen Stil in den Expressionismus, und der Wahnsinn rührt die große Trommel, unterstützt von den komplexen Soundscapes, die Eggers über die Bilder legt: Die Geräusche von Sturm, Regen, Wind, das Nebelhorn, die Möwenschreie, das Knirschen und Knacken der Maschinerie werden von Mark Korvens brillantem Orchestersoundtrack wieder aufgenommen und sorgen für permanente Anspannung. Was genau passiert, soll besser nicht verraten werden. Dafoe und Pattinson geben alles und haben sichtlich großen Spaß daran, sich vollkommen auszutoben. DER LEUCHTTURM ist wildes, originelles, bild- und sprachgewaltiges Genrekino mit einer großen Liebe zu älteren Formen des Films, vor allem denen der 20er bis 40er Jahre.
Originaltitel: The Lighthouse
USA 2019, 110 min
Genre: Horror
Regie: Robert Eggers
Drehbuch: Max Eggers, Robert Eggers
Kamera: Jarin Blaschke
Schnitt: Louise Ford
Musik: Mark Korven
Verleih: Universal Pictures
Darsteller: Willem Dafoe, Robert Pattinson
FSK: 16
Kinostart: 28.11.2019
Interview
Website
IMDB
Vorführungen
ALLE ANGABEN OHNE GEWÄHR.
Die Inhalte dieser Webseite dürfen nicht gehandelt oder weitergegeben werden. Jede Vervielfältigung, Veröffentlichung oder andere Nutzung dieser Inhalte ist verboten, soweit die INDIEKINO BERLIN UG (haftungsbeschränkt) nicht ausdrücklich schriftlich ihr Einverständnis erklärt hat.