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Der Goldene Handschuh

Seine Nächte durchzecht Fritz Honka in der Kiezkaschemme "Zum goldenen Handschuh". Keiner der Stammgäste ahnt, dass der scheinbar harmlose "Fiete" in Wahrheit ein Monster ist, das einsamen Frauen nachstellt.

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Der Frauenmörder Fritz Honka fesselt keuchend eine Frauenleiche und versucht sie in eine Mülltüte zu stopfen. Das gelingt nicht. Dann liegt die nackte Leiche in Honkas „Wohnzimmer“ auf der Tüte, und Fatih Akin teasert eine Splatterszene. Der Körper zuckt noch, es ist offensichtlich kein Dummy, und Honka setzt die Säge am Hals an. Spannung: Wann kommt der Schnitt, wie kommen sie da raus, wie funktioniert der Trick, wenn die Säge sägt? Honka bricht die Bewegung ab, nimmt einen Schluck aus der Pulle, Schnitt, der Hals ist nicht mehr im Bild, das Blut spritzt. Fatih Akin begibt sich dann doch nicht ganz in den vermeintlich despektierlichsten Bereich des Genrekinos.

DER GOLDENE HANDSCHUH geht über die Schock-Effekte des Splatter-Films, die oft auch deutlich ausgestellte Spaß-Effekte sind, hinaus. Jenseits der Gewalt, die in der klassischen Ästhetik immer noch mit dem Erhabenen, und manchmal auch durch den Witz, gefasst werden konnte, liegt der Ekel als das völlig aus dem Ästhetischen Ausgeschlossene. Alle Filme, die körperliche Reaktionen hervorrufen wollen, ob Weinen, Orgasmen oder Schrecken, sind der Ästhetik mindestens suspekt, aber das Melodram bleibt populär und wird mit wenigen Kniffen zur Kunst, der Porno und der Horrorfilm haben inzwischen eigene Festivals und Kunsttheorien. Auf ein Festival des ekelhaften Films wird man noch ein wenig warten müssen, trotz aller Überschreitungen in der Kunst seit der Moderne. DER GOLDENE HANDSCHUH ist ekelhaft. Die Reaktion, die der Ekel hervorruft, ist das Erbrechen, und hier wird sich nicht nur mehrmals auf der Leinwand erbrochen. Akins Film evoziert den Leichengestank in Honkas Wohnung so deutlich, dass ich auch schlucken musste.

Ein Thrill-Ride, ein Film, den man wegen des geilen Kicks ansieht, ist DER GOLDENE HANDSCHUH nicht. Dazu fehlt das tröstliche Gefühl des Entkommens, das dem Schrecken im Kino (und im Theater wie der Literatur) folgt. Dem Ekel zu entkommen ist weniger leicht, ihm folgt kein erleichtertes Lachen und Händchenhalten. Akins Film hinterlässt vor allem ein stickiges Unwohlsein, wie man es in ungelüfteten Wohnungen, auf Bahnhofs- oder Berlinale-Toiletten, oder in verrauchten, dreckigen, vollgepissten Kneipen bekommt, wenn man noch nicht völlig besoffen ist.

DER GOLDENE HANDSCHUH entführt in eine Welt, in der dem Gestank nicht entkommen werden kann. Das Tröstlichste an Akins Film ist, dass er in den 70er Jahren spielt, aber diese Welt gibt es natürlich weiter. Der Film beruht auf einem Roman von Heinz Strunk über Fritz Honka, der in Hamburg mehrere Frauen ermordete, die er in der Kneipe „Der goldene Handschuh“ kennengelernt hatte. Hier treffen sich die Ausgestoßenen des gerade ins Stocken geratenen Wirtschaftswunders. Akin, der schon immer große Zuneigung zu Außenseitern hatte, porträtiert sie mit ruppiger Zuneigung. Wenn Hark Bohm, der Regisseur des schönsten aller Hamburg-Filme, NORDSEE IST MORDSEE, als Doornkaat-Max auf der Leinwand erscheint und in den Absturzladen einführt, ist das ein Moment innigster Zuneigung zu den Verlorenen. Im „Handschuh“ selbst gibt es Zuneigung natürlich nur, wenn jemand einen ausgibt. Ein Nebenstrang der Geschichte erzählt von einem Gymnasiasten aus gutem Hause, der sich in den Goldenen Handschuh traut, von der Atmosphäre und den Stammgästen fasziniert ist, und schließlich den Preis für das amüsante Slumming zahlen muss. Akin will keine skurrilen Figuren auf die Leinwand zaubern, er fordert Respekt für die Personen ein. Erst recht für Honkas Opfer. Deren Tod ist eine brutale Entwürdigung und wird auch so gezeigt. Aber Honkas Opfer sind öffentlich immer nur als heruntergekommene, versoffene Prostituierte, alte Vetteln, das Letzte vom Letzten, igittigitt, dargestellt worden. Hier haben sie Geschichte, sie blicken und schlagen zurück. Akin zeigt nicht nur ihren würdelosen Tod, er zeigt auch die Würde, die ihnen genommen wurde.

Genrefilme haben es auf der Berlinale traditionell nicht leicht. DER GOLDENE HANDSCHUH wird es auch beim Publikum nicht leicht haben. Für ein erstes Date ist Akins Film keine gute Wahl.

Tom Dorow

Details

Deutschland 2019, 110 min
Sprache: Deutsch, Griechisch
Genre: Horror, Historischer Film, Biografie
Regie: Fatih Akin
Drehbuch: Fatih Akin
Kamera: Rainer Klausmann
Schnitt: Andrew Bird, Franziska Schmidt-Kärner
Musik: F.M. Einheit
Verleih: Warner Bros.
Darsteller: Jonas Dassler, Margarethe Tiesel, Katja Studt, Tristan Göbel, Uwe Rohde, Hark Bohm, Victoria Trauttmansdorff, Adam Bousdoukos
FSK: 18
Kinostart: 21.02.2019

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