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Das zweite Leben des Monsieur Alain

Tour de Force par excellence

Fabrice Luchini ist großartig in der Rolle des Spitzenmanagers Alain Wapler, der nach einem Schlaganfall, von dem er vor allem einen kleinen Gehirnschaden, der zu surrealen Sprachverdrehungen führt, davon trägt, ins Leben zurückfinden muss.

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Das zweite Leben des Monsieur Alain beruht auf den Memoiren des Managers Christian Streiff, der CEO des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS und später des Peugeot-Konzerns war, bevor er 2008 einen Schlaganfall erlitt. Die Geschichte ist die typische Selbstfindungserzählung eines Über-Privilegierten inklusive Wanderung nach Santiago de Compostela, und der Film wäre wenig bemerkenswert, wenn der Hauptdarsteller Fabrice Luchini als Manager Alain Wapler nicht eine Tour de Force par excellence hinlegen würde. Um halb sechs klingt Alains Wecker, zwei Minuten danach hat er den ersten Schlaganfall. Er wälzt sich auf dem Boden, zerrt an seinem Arm herum, steht auf, geht zur Arbeit, fällt auf der Treppe um, reißt zwei Präsentationen und ein Uni-Seminar herunter, bevor er im Auto zusammenbricht. Die schnelle Reaktion seines Fahrers lässt den Manager mit relativ leichten Gehirnschäden überleben, aber sein Sprach- und Erinnerungszentrum ist beschädigt. Die surrealen Wortverdrehungen durch die neuronalen Schäden wirken mindestens in der französischen Version größtenteils ebenso überzeugend wie amüsant. Ob Teile des Witzes in die deutsche Synchronfassung gerettet werden konnten, ist noch offen. Das äußerst körperliche Spiel von Fabrice Luchini, der zuletzt als debil nuschelnder Adliger in Bruno Dumonts DIE FEINE GESELLSCHAFT zu sehen war, seinen Karriereanfang aber in Filmen von Eric Rohmer hatte (CLAIRES KNIE, PARZIFAL), wird dagegen auch in der deutschen Fassung überleben. Ob Luchini nebenbei vorführt, wie sich gelähmte Körperteile allmählich erholen, oder er Alains Verunsicherung zeigt, wenn er das erste Mal wieder sein Haus verlässt, alles ist von herausragender Präzision. Alle anderen Charaktere sind kaum mehr als Dekoration, die Schauspielkolleg*innen sind völlig chancenlos, aber Luchini reißt das Ding.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Un homme pressé
Frankreich 2019, 100 min
Genre: Drama, Tragikomödie
Regie: Hervé Mimran
Drehbuch: Hervé Mimran, Hélène Fillières
Kamera: Jérôme Alméras
Schnitt: Célia Lafitedupont
Verleih: NFP
Darsteller: Fabrice Luchini, Leïla Bekhti, Igor Gotesman, Clémence Massart
FSK: oA
Kinostart: 22.08.2019

Website
IMDB

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Keine Programmdaten vorhanden.

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