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Das Lehrerzimmer

Eine Schule eskaliert

An einer Berliner Schule geschehen Diebstähle. Mit der Unaufhaltbarkeit einer Screwball-Komödie oder eines Katastrophenthrillers eskaliert Çatak die Situation.

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Die junge Clara Nowak (Leonie Benesch) ist Klassenlehrerin in einer sechsten Klasse. Sie ist relativ neu an ihrer Schule, unterrichtet Mathe und Sport und kommt gut mit ihren Schüler*innen zurecht. Direkt und freundlich spricht sie Probleme schnell an, sei es in der Klasse oder im Kollegium. Dort ist die Stimmung latent gereizt, denn es gibt Diebstähle an der Schule. Der Verdacht fällt auf Ali, einen von Claras Schülern, den eine Delegation der Schulleitung, ohne sich mit Clara abzustimmen, aus der Klasse holt, nachdem sie sich die Portemonees aller Jungen hat zeigen lassen - natürlich „freiwillig“. Ali stellt sich als unschuldig heraus, aber die Eltern sind verärgert, Clara ist verärgert, die Schüler*innen sind verunsichert, Gerüchte von „racial profiling“ machen die Runde, und die Diebstähle gehen weiter.

Im Film des Berliner Regisseurs Ilker Çatak (ES GILT DAS GESPROCHENE WORT, RÄUBERHÄNDE) ist Schule vor allem ein Ort, an dem es nicht möglich ist, sich aus dem Weg zu gehen und alles, was man tut, Einfluss auf die anderen Menschen in diesem Mikrokosmos hat. Die Enge wird noch betont durch das fast quadratische 4:3 Filmformat, das den Blick auf die Personen und ihre Interaktionen fokussiert. Wie Wellen in einem Pool breiten sich Gerüchte und Ereignisse aus, werden von den Wänden zurückgeworfen, splittern in Unterbaustellen auf und sind in ihrer Vielzahl und Kleinteiligkeit bald nicht mehr beherrschbar.

Die „Polizeiaktion“ im Klassenzimmer ist dabei nur der Anfang. Verärgert und misstrauisch ihren Kolleg*innen gegenüber, lässt Clara bewusst Geld in ihrer Jacke im Lehrerzimmer zurück und stellt die Kamera ihres davor stehenden Laptops auf Aufnahme – und erwischt tatsächlich eine Kollegin (Eva Löbau) auf frischer Tat. Das Problem: Die Frau streitet die Tat vehement ab, und die Überwachung von Kolleg*innen ist natürlich illegal. Mit der Unaufhaltbarkeit einer Screwball-Komödie oder eines Katastrophenthrillers eskaliert Çatak die Situation weiter: Während die Schulleitung ein Redeverbot verhängt, entwickeln die Gerüchte ein Eigenleben. Es kommt zu Mobbing, ein Elternabend läuft aus dem Ruder, die Schülerzeitung wird investigativ tätig und umgehend verboten …

Im Zentrum steht zunächst Clara, die versucht, an allen Ecken Feuer zu löschen, und dabei vom Regen in die Traufe gerät. Nach und nach verschiebt sich der Fokus, als Oskar (Lenard Stettnisch), Sohn der Diebin und ein Schüler aus Claras Klasse, immer mehr zum unschuldigen Opfer in diesem Ringen um Wahrheit, Gerechtigkeit, Schulfrieden und Regelkonformität wird. Der Film sympathisiert mit beiden, wie eigentlich mit so gut wie allen Akteur*innen des Films, der im Übrigen auch ein großartiger Ensemblefilm ist – allein die Szenen in den Klassen und Gängen mit Dutzenden von Kindern sind fantastisch gespielt und inszeniert.

Hendrike Bake

Details

Originaltitel: Das Lehrerzimmer – The Teachers' Lounge
Deutschland 2023, 94 min
Sprache: Deutsch
Genre: Drama
Regie: Ilker Çatak
Drehbuch: Ilker Çatak, Johannes Duncker
Kamera: Judith Kaufmann
Schnitt: Gesa Jäger
Musik: Marvin Miller
Verleih: Alamode Filmverleih
Darsteller: Leonie Benesch, Michael Klammer, Rafael Stachowiak, Eva Löbau
FSK: 12
Kinostart: 04.05.2023

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Das Lehrerzimmer

(Das Lehrerzimmer – The Teachers' Lounge) | Deutschland 2023 | Drama | R: Ilker Çatak | FSK: 12 | Interview

An einer Berliner Schule geschehen Diebstähle. Mit der Unaufhaltbarkeit einer Screwball-Komödie oder eines Katastrophenthrillers eskaliert Çatak die Situation.

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