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Bruderliebe

Sehr behutsam

Nach einem schweren Unfall geben die Ärzte Markus nur noch wenige Tage, doch sein Bruder Michael glaubt daran, dass der Markus aus dem Koma zurückfinden kann und bringt ihm täglich Versatzstücke aus dem alten Leben ins Krankenhaus. Dokumentarfilm .

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Bruderliebe hat für Michael Becker viele Bedeutungen: „wenn man sich verstanden fühlt“, „wenn man sich teilt“, „wenn so, wie man ist, ok ist“, „Zuhausesein“, das alles versteht er darunter. Dass sich sein Bruder Markus bei ihm erkannt, verstanden fühlt, das wünscht er sich. Er pflegt seinen geistig und körperlich schwer beeinträchtigten Bruder bei sich zuhause, ein einsamer Mann einen einsamen Mann, beide zwischen vierzig und fünfzig. Nach einem Autounfall lag Markus im Koma, die Ärzte sagten ihm nur wenige Tage Leben voraus, ihr Vater plante die Beerdigung. Michael aber hatte sich vorgenommen, seinen Bruder zurück in die Gesellschaft zu holen. Er filmte die Familie und Nachbarn, das Einkaufszentrum, die Haferflocken, die sie beide zum Frühstück essen und spielte die Lebensschnipsel seinem Bruder im Krankenhaus vor.
So begleitet Michael die Entwicklung seines Bruders mit der Kamera, und die Regisseurin Julia Horn mit ihrem Team die Entwicklung von deren Beziehung über mehrere Jahre: Die Bilder der Außenstehenden fließen in vom Protagonisten Selbstgefilmtes; Landschaften, Außenblicke und Videotagebuch wechseln sich ab. Michael hält Zustände, Launen, Anekdoten und den Blick von einer Schaukel in den Himmel fest. Horns Film BRUDERLIEBE ist sehr behutsam, die Kamera tastet die Körper und Gesichter ab, zeigt zwar Details, wirkt aber nie aufdringlich.
Die Pflege sei „ein lebensgefährlicher Job“, weil man seinen eigenen Rhythmus verlasse und nur noch in jenem des anderen lebe, erzählt Michael. „Mein Leben findet gar nicht mehr statt“, so simpel formuliert er das Ergebnis seiner Entscheidung, seinen Bruder selbst zu pflegen anstatt ihn, wie es der überforderte Vater getan hätte, in ein Heim einzuweisen. Seine bedingungslose Zuneigung ist jeden Moment spürbar: Er glaubt an Liebe als Methodik zur Heilung. Und rät seinem Bruder Markus, aus seinen Gefühlen ein Schwimmbecken zu machen – damit er reinspringen und mehr davon haben könne.

Lili Hering

Details

Deutschland 2019, 106 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Julia Horn
Drehbuch: Julia Horn
Kamera: Timm Lange, Arne Wolter
Schnitt: Alexandra Karaoulis, Johannes Hiroshi Nakajima
Musik: Jörg Follert, SunSunPark
Verleih: HornFilm
FSK: oA
Kinostart: 28.11.2019

Website

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