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Berberian Sound Studio

Italien 1976: Gilderoy hat einen Job als Sounddesignerangenommen. Das Berberian Sound Studio produziert bizarre Horrorstreifen voll von Gewalt und Erotik. Gilderoy verliert sich zusehends in der alptraumhaften Klangwelt der Filme.

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Horrorfilm, Komödie, Liebeserklärung, Experimentalfilm. In BERBERIAN SOUND STUDIO schickt Peter Strickland seinen traurigen Helden tief in die Eingeweide des schmierigsten italienischen 70er-Jahre-Horrorfilms, in eine Zeit als diese Filme komplett nachvertont wurden. Toby Jones spielt Gilderoy, einen schüchternen englischen Tontechniker, der zuletzt an einer Naturdokumentation im Fernsehformat „Local Perspectives“ gearbeitet hat und am Feierabend Tonbänder hört, die mit „Kaminuhr“ oder „Mum’s Footsteps“ beschriftet sind. Aus undurchsichtigen Gründen hat ihn das italienische Tonstudio BERBERIAN SOUND STUDIO eingekauft, um den Horrorfilm THE EQUESTRIAN VORTEX zu vertonen. Mit Horror hatte Gilderoy nicht gerechnet: „ Santini sagte etwas mit Pferden“ „Oh ja, es geht um eine Reiterin. Nur das sie jetzt nicht mehr reitet“.
Den Film selbst bekommt der Zuschauer nie zu sehen, sein Inhalt erschließt sich allein über die Geräusche, das Tonskript, das die Kamera immer wieder liebevoll abgleitet und die Szenentitel, die vor jeder Aufnahme eingesprochen werden: Akt 1, Szene 13, Take 1: Teresa und Monika wagen sich in den Tunnel unterhalb der Akademie, wo der Hühnerkot entsorgt wird; die Hexenleichen bemerken sie nicht. Gilderoy macht sich an die Arbeit. Er mischt Schreie mit Musik, mit geflüsterten Flüchen und Gebeten, die sich in Endlosloops wiederholen. Er vertont Mord- und Folterszenen, indem er auf Kohl einsticht und Wasser in eine heiße Pfanne tropfen lässt. Umso tiefer Gilderoy sich in den EQUESTRIAN VORTEX begibt, umso verstörter wird er, umso mehr verschwimmen Alptraum und Realität. Wobei irgendwann die Frage auftaucht, ob es in diesem nur in tageslichtlosen Innenräumen spielenden Film überhaupt je so etwas wie Realität gab. BERBERIAN SOUND STUDIO erzählt von einem Mann, der die Kakophonie der Welt genau da antrifft, wo er sich vor ihr verbergen wollte, in Reglern, Mikrofonen und Tonbändern. Gleichzeitig ist der Film eine verführerische Liebeserklärung an das analoge Handwerk, an Loops, die um Teetassen durch das ganze Studio laufen, an Steckverbindungen und handgemalte Skripte, an Töne, die mit Obst und Gemüse erzeugt werden, an die Magie der Tonmischung, die aus dem idiotischsten Plot echten Horror herauskitzeln kann.

HB

Details

Deutschland/ Großbritannien/ Australien 2012, 92 min
Sprache: Englisch, Italienisch
Genre: Horror, Film übers Filmemachen
Regie: Peter Strickland
Drehbuch: Peter Strickland
Kamera: Nicholas D. Knowland
Schnitt: Chris Dickens
Verleih: Rapid Eye Movies
Darsteller: Toby Jones, Tonia Sotiropoulou, Susanna Cappellaro, Cosimo Fusco, Antonio Mancino
FSK: 12
Kinostart: 13.06.2013

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IMDB

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