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Aus nächster Distanz

Alltägliche Hochspannung

In einer sicheren Wohnung in Hamburg soll die Mossad-Agentin Naomi die libanesische Hisbollah-Überläuferin Mona schützen. Aber vielleicht ist Mona auch eine Doppelagentin. Komplexer Spionagethriller von Eran Riklis.

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Der Mann auf dem Balkon gegenüber. Der Kioskverkäufer auf der Straße. Vielleicht auch der Nachbar, der freundlich grüßt. Hinter jedem kann ein tödlicher Feind stecken. Oder ein Helfer in der Not. Zwei Frauen sind zwei Wochen lang eingesperrt: Für Naomi (Neta Riskin) ein eigentlich einfacher Job – in der sicheren Wohnung in Hamburg soll die Mossad-Agentin die libanesische Hisbollah-Überläuferin Mona (Golshifteh Farahani) schützen. Doch Begriffe wie "einfach", "sicher" oder "Schutz" gelten nichts im unentwirrbaren Geflecht geheimdienstlicher Aktionen und Reaktionen. Geschickt spielt Regisseur Eran Riklis mit den Schauplätzen zwischen Safehouse, Hisbollah-Hauptquartier, Agententreffen in einer Berliner Bar oder einem abgelegenen Kloster im Libanon: Er orchestriert Informationen, die sich langsam herausschälen, und die im nächsten Moment wieder angezweifelt oder auf den Kopf gekehrt werden können. Vielleicht hält Naomis Führungsoffizier wichtige Details zurück? Vielleicht steht ein Hisbollah-Kampfkommando schon vor der Tür? Vielleicht ist Mona, mit ihrem komplett bandagiertem Kopf nach einer Gesichts-OP, auch eine Doppelagentin?
Das Spiel von Sein und Schein gehört zum Handwerkszeug eines jeden einigermaßen raffinierten Thrillers. Riklis aber geht die entscheidenden Schritte weiter. Er verwurzelt seine Geschichte im gefühlt ewig währenden und dabei stets aktuellen Nahostkonflikt, ortet die Risse und Verwerfungen und führt den Zuschauer dahin, wo kein Bond-Bourne-etc.-Filmheld sich jemals hintraut: In die zermürbende Routinerealität, in die alltägliche Hochspannung, und in den Zwiespalt des Menschlichen: Mit dem Zielobjekt tagelang eingesperrt immer präsent sein, aber keine größere Nähe zulassen. Das Spionagedrama als Kammerspiel: Riklis erschafft eine Choreografie des Unausweichlichen.

Harald Mühlbeyer

Details

Originaltitel: Shelter
Deutschland/Israel/Frankreich 2017, 93 min
Sprache: Hebräisch, Arabisch, Deutsch
Genre: Thriller, Drama, Agentenfilm
Regie: Eran Riklis
Drehbuch: Eran Riklis
Schnitt: Richard Marizy
Verleih: NFP
Darsteller: Golshifteh Farahani, Neta Riskin, Yehuda Almagor, Doraid Liddawi, Haluk Bilginer
FSK: 12
Kinostart: 09.08.2018

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