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Aufbruch zum Mond

Lebensgefahr und Isolation

Weiter fort von der Welt der Menschen haben nur wenige Filme geführt, und schon gar keine Blockbuster.

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Damien Chazelles Nachfolger des Publikumslieblings und beinahe Oscar-Gewinners LA LA LAND ist der vielleicht riskanteste Blockbuster-Versuch, den ich kenne. Chazelle erzählt die Geschichte des Astronauten Neil Armstrong einerseits als Action-Spektakel und Himmelfahrtskommando, andererseits als Geschichte eines Trauerprozesses. Armstrong hat, bevor er sich bei der NASA für das Gemini-Projekt bewirbt, seine kleine Tochter verloren. Die Flüge ins All, und vor allem die Landung im Mare Tranquillitatis („Meer der Ruhe“) auf dem Mond sind hier Reisen in die Todesstille des Gefühls. Ryan Gosling als Armstrong gelingt es, jemanden zu zeigen, der nichts nach außen tragen kann und einen Stein, der größer ist als das Universum, auf der Seele liegen hat. FIRST MAN (Originaltitel) ist alles andere als eine patriotische Heldengeschichte.
Armstrongs allmähliches Verstummen findet parallel zu einer stürmischen Inszenierung statt. Actionszenen sehen hier manchmal aus wie abstrakte Experimente, wenn nur noch Lichtblitze über die Leinwand rasen. Die Geräusche der Metallkapseln, in denen die Astronauten durchs All katapultiert werden, das Knirschen, Knacken und Knallen wirken wie Drohungen von Genickbrüchen. Das ist so halsbrecherisch inszeniert, dass es den Atem stocken lässt. FIRST MAN wirkt unmittelbar körperlich und hält das Gefühl von Lebensgefahr und Isolation permanent aufrecht. Chazelles Film würde auch als Stummfilm funktionieren. Die Dialoge sind nicht immer verständlich, geknurrt, geflüstert, vernuschelt, unter Geräuschtrümmern begraben, aber ihr Inhalt zeichnet sich in den Körpern ab. Für einen Publikumsliebling ist FIRST MAN wahrscheinlich nicht heiter genug, aber bei allen Mondgöttinnen: Was für ein Film! Weiter fort von der Welt der Menschen haben nur wenige Filme geführt, und schon gar keine Blockbuster.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: First Man
USA 2018, 138 min
Genre: Biografie, Drama, Historienfilm
Regie: Damien Chazelle
Drehbuch: Nicole Perlman, James R. Hansen, Josh Singer
Kamera: Linus Sandgren
Schnitt: Tom Cross
Musik: Justin Hurwitz
Verleih: Universal Pictures International
Darsteller: Claire Foy, Jon Bernthal, Ryan Gosling, Pablo Schreiber, Jason Clarke
FSK: 12
Kinostart: 08.11.2018

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