Neue Notiz
Architecton
Stein zu Beton
Viktor Kossakovskys Film ARCHITECTON folgt einer Überwältigungs-Ästhetik, die sich als visuelle Meditation tarnt.
Viktor Kossakovskys Film ARCHITECTON folgt einer Überwältigungs-Ästhetik, die sich als visuelle Meditation tarnt. ARCHITECTON beginnt mit Bildern aus der Ukraine, wo Artillerie- oder Raketenbeschuss gewaltige Löcher in Mehrfamilien-Wohnblocks gerissen haben. Von diesem Prolog aus begibt sich der Film in einen riesigen Steinbruch, zeigt dort immer wieder Sprengungen in Zeitlupe, dann die Zerkleinerung der Steine, die eine Art Todestanz in der Maschine vor der Kamera aufführen. Die Geschichte der Steine endet auf einem riesigen Kieshaufen, der für die Produktion von Beton verwendet werden wird. Weitere Motive sind ein Architekt, der in seinem Garten einen Steinkreis anlegen lässt, und die monumentalen Ruinen von Baalbek, wo der Architekt versonnen den „Stein der schwangeren Frau“ streichelt, einen der größten bekannten Bausteine der Welt. Zu den Bildern gibt es Musik von Evgueni Galperine, der tiefe Minimal-Drones mit archaischen Elementen wie Flöten und Orgeln verbindet, die in Kirchentonleitern Klagelieder anstimmen. Kossakowskys Film zielt auf einen KOOYANISQATSI-Effekt: Die visuell-musikalische Wucht suggeriert die Bedeutungsschwere einer einfachen These, die ganz am Ende im Dialog zwischen dem Regisseur und dem Architekten als Frage formuliert wird. „Warum bauen wir für nur 40 Jahre, wenn die Alten wussten, wie man für Jahrtausende baut?“ Zwar ist die Prämisse der Frage bereits fasch, weil die erhaltenen Gebäude der „Alten“ ja keine Wohnhäuser, sondern Repräsentanz-Bauten religiöser und weltlicher Herrschaft sind, während die Lehmbauten, in denen die Erbauer von Baalbek tatsächlich lebten, längst zu Staub geworden sind, aber die These fügt sich – wie Kossakowskys pompöser Film – in eine antimoderne, reaktionäre Bewegung als Teil der alt-neurechten Kulturbewegung, die Retro-Kitsch statt Bauhaus-Idealen fordert.
Deutschland/Frankreich 2024, 98 min
Sprache: Italienisch
Genre: Dokumentarfilm, Essayistischer Film
Regie: Victor Kossakovsky
Drehbuch: Victor Kossakovsky
Kamera: Ben Bernhard
Schnitt: Victor Kossakovsky Ainara Vera
Musik: Evgueni Galperine
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 03.10.2024
Website
IMDB
Vorführungen
Architecton
Deutschland/Frankreich 2024 | Dokumentarfilm, Essayistischer Film | R: Victor Kossakovsky | NEUSTART
Viktor Kossakovskys Film ARCHITECTON folgt einer Überwältigungs-Ästhetik, die sich als visuelle Meditation tarnt.
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