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Another Day of Life

Allein in Angola

Der polnische „Reporter des Jahrhunderts“, Riszard Kapuszinski, war bei 1975 der einzige europäische Journalist in Angola, als sich der Krieg zwischen der sozialistischen MPLA und der von Südafrika unterstützen FNLA/UNITA-Koalition entschied. Atmosphärischer Animationsfilm mit Interviews und Dokumentaraufnahmen.

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Riszard Kapuszinski wurde in Polen zum bedeutendsten Reporter des 20. Jahrhunderts gewählt. Seine Reportage aus Angola am Vorabend der Unabhängigkeit und in den entscheidenden Tagen des Krieges zwischen der marxistischen MPLA und der von Südafrika und den USA unterstützten Truppen der FNLA und UNITA haben Raúl de la Fuente und Damian Nenownun zu einem einzigartigen Dokumentarfilm gemacht, der Kapuszinskis Sprache in träumerische, oft auch alptraumhafte Animationen übersetzt und diese mit Interviews von Zeitzeugen und dokumentarischen Filmen und Fotografien verbindet. ANOTHER DAY OF LIFE beruht größtenteils auf Kapuszinskis (auf Deutsch derzeit nur antiquarisch erhältlichem) Buch „Wieder ein Tag Leben – Innenansichten eines Bürgerkriegs“, allerdings verdichtet der Film die Reportagen und führt Episoden zusammen, die bei Kapuszinski nicht im Zusammenhang stehen, ergänzt fiktive Figuren und einen zentralen Konflikt, der die Frage nach dem journalistischen Ethos stellt.

Kapuszinski war 1975 der einzige europäische Reporter, der sich in Angola aufhielt. Der Journalist interessierte sich weniger für die politischen und militärischen Entscheidungsträger – ein Treffen mit dem ersten angolanischen Präsidenten Agostinho Neto wird in seinem Buch nur in einem Halbsatz erwähnt, die Unabhängigkeitsfeier ist Kapuszinski kaum einen Absatz wert. Er schrieb über den Alltag der Menschen, die in der von den Portugiesen verlassenen Stadt auf den Krieg warteten, der sich von Norden und Süden näherte, und über die Kämpfer an der Front, die versuchten, mit wenigen Gewehren und unausgebildeten Jugendlichen ihr Land gegen südafrikanische Kompanien mit Hubschraubern und Panzerwagen zu verteidigen.
Kapuszinskis Stärke waren dichte und emotionale Beschreibungen der Lebenssituation der Menschen – auf verlorenem Posten in einer Stadt, in der permanent das Wasserwerk beschossen wurde, und die drohende Einnahme des Elektrizitätswerks das Ende bedeutet hätte. Für Kapuszinskis Beschreibungen findet der Film beeindruckende Bilder, die mittels der Rotoscope-Technik hergestellt wurden, also zunächst mit Schauspielern gefilmt, und später von Zeichnern in Animationen verwandelt wurden. Aber es steckt offensichtlich auch eine Menge Recherchearbeit im Film, der viele der Protagonist*innen aus Kapuszinskis Buch ausfindig gemacht hat, darunter die Schwester der gefallenen Guerillera Carlotta und den Commandante Farrusco.

Der Film erzählt auch, dass Kapuszinski als erster von der Ankunft kubanischer Waffen und Soldaten in Angola erfahren hat. Die kubanische Unterstützung für die MPLA sollte den Ausschlag im Krieg geben, der für die mit schwerem Gerät anrückenden UNITA-Kämpfer und südafrikanischen Söldner schon entschieden schien. Kapuszinskis Entscheidung, die Ankunft der Kubaner nicht an seine Agentur zu melden, habe dazu beigetragen, ein militärisches Eingreifen der Supermächte, vor allem der USA, zu verhindern. Das scheint auch angesichts heftiger Betriebsamkeit der Geheimdienste in den siebziger Jahren eher unwahrscheinlich, und die Episode fehlt in Kapuszinskis Buch. Andererseits gibt es, obwohl die Fernschreiber-Depeschen des Reporters als letzte Verbindung zu einer sicheren Welt immer wieder ein Thema sind, im Buch tatsächlich keine Erwähnung eines Berichts über die Kubaner, und es kann durchaus sein, dass Kapuszinski sich an anderem Ort dazu geäußert hat. Der Film ANOTHER DAY OF LIFE ist jedenfalls auch ein Plädoyer für die Subjektivität und das Engagement des Reporters, dessen Berichte eben auch die Realität beeinflussen.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Jeszcze dzien zycia
Spanien/ Polen/ Deutschland/ Spanien/ Ungarn 2017, 80 min
Genre: Animation, Drama, Dokumentarischer Film
Regie: Raúl de la Fuente, Damian Nenow
Drehbuch: Niall Johnson, Amaia Remirez, David Weber, Raúl de la Fuente
Verleih: Pandora Film
FSK: 12
Kinostart: 04.04.2019

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IMDB

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