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Ana, mon amour

Eine Chronik von Liebe und Abhängigkeit

In Rückblenden und harten Kontrasten erzählt ANA, MON AMOUR aus der Innensicht von Toma vom Scheitern der Beziehung seiner Beziehung mit Ana, einer Beziehung, in der die Grenzen zwischen Liebe und Abhängigkeit, Macht und Mitleid schwer auszumachen sind.

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In Thomas Manns Novelle „Tobias Mindernickel“ blüht der menschenscheue Protagonist bei der Pflege eines verletzten Welpen auf. Endlich braucht ihn jemand! Die Genesung des Hunds beobachtet er mit Argwohn. Um erneut der Überlegene zu sein, schlitzt Mindernickel das Tier mit einem Messer auf. Doch diesmal kann er nicht helfen, denn das Hündchen stirbt.

Der Grundtenor der tristen Erzählung von Thomas Mann erinnert an jenen von ANA, MON AMOUR. Toma und Ana (Mircea Postelnicu & Diana Cavallioti) kommen während des Literaturstudiums zusammen. Bald wird die Liebe von Anas heftigen Panikattacken und ihrer Medikamentenabhängigkeit auf die Probe gestellt. Toma umsorgt die psychisch kranke Freundin, später auch den gemeinsamen Sohn. Über die Jahre verschwimmen die Grenzen zwischen Liebe und Abhängigkeit, Macht und Mitleid. Als Ana nach einer Therapie auf die Beine kommt, zerbricht die Beziehung.

Der Titel beinhaltet die Stoßrichtung: ANA, MON AMOUR, nicht TOMA, MON AMOUR oder TOMA UND ANA. Der rumänische Autorenfilmer Calin Peter Netzer, 2013 für MUTTER UND SOHN mit dem Goldenen Bären prämiert, nimmt Tomas Perspektive ein, was eine Offenbarung am Ende noch einmal deutlich unterstreicht. Ana hat das Problem, Toma muss damit leben. Trotzdem ist Ana im Gefüge des Dramas keine reine Projektionsfläche. Allein schon durch das intensive Zusammenspiel der Hauptdarsteller avanciert sie zum eigenständigen, facettenreichen Charakter.

In Handkamerabildern pirscht sich Netzer nah an die Liebenden heran, auch wenn es noch so schmerzhaft wird. Gebrochen wird die auf Realismus und Lebensnähe bedachte Inszenierung durch die assoziative Erzählstruktur, die an Derek Cianfrances Meisterwerk BLUE VALENTINE erinnert. Netzer springt mit jedem Szenenwechsel an einen anderen Punkt der Liebeschronik und erzeugt harte Kontraste: Der unbeschwerte Beginn, heftige Krisen und das Ende der Liebe liegen Wimpernschläge voneinander entfernt. Zeiteinblendungen gibt es keine, einzig Tomas mit den Jahren schwindendes Kopfhaar liefert eine chronologische Orientierung.

Während die Liebe kippt, tun sich als Hintergrundrauschen familiäre Abgründe auf, die stellvertretend für gesellschaftliche Konflikte im post-kommunistischen Rumänien stehen. Gleich zu Beginn zeigt Netzer hintereinander die ersten Besuche bei den jeweiligen Schwiegereltern, die beide äußerst beklemmend verlaufen. Die kaputten Familiennetzwerke zementieren die späteren Krisen.

Christian Horn

Details

Rumänien 2017, 127 min
Genre: Drama, Liebesfilm
Regie: Calin Peter Netzer
Drehbuch: Calin Peter Netzer, Cezar Paul Badescu, Iulia Lumânare
Kamera: Andrei Butică
Schnitt: Dana Bunescu
Verleih: Real Fiction
Darsteller: Razvan Vasilescu, Meda Andreea Victor, Elena Voineag, Irina Noaptes
Kinostart: 24.08.2017

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