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Als wir die Zukunft waren

Sieben Ost-Filmer erzählen

Sieben in der DDR aufgewachsene Filmemacher erzählen von ihrem damaligen Leben.

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"Westberlin riecht anders, nach Kaffee, Parfum und Obst" bemerkt Peter Kahane in der Auftaktepisode des 7-teiligen Porträtfilms ALS WIR DIE ZUKUNFT WAREN. Wie alle der sieben Protagonisten verbrachte Kahane (DIE ARCHITEKTEN) seine Jugend in der DDR und begann eine Laufbahn als Filmemacher. Sowjetische Reiter- und amerikanische Cowboyfilme prägten seinen Kinogeschmack. Danach lauschen wir Thomas Knauf, dem Kurioses in Warschau widerfuhr, hören von Andreas Voigt etwas über Ost-Radios und Fernweh und erfahren von Hannes Schönemann, wie er als kleiner Bub von einer Sandburg aus die Welt entdeckte: Ein verstohlener Blickwechsel mit einer koketten Lolita am Ostseestrand aktivierte in ihm einen solchen Freiheitsdrang, dass er mit dem väterlichen Boot eine Flucht gen Westen plante – um dann doch als Heimkind in der Zone zu verbleiben. Gabriele Denecke hingegen, die einzige Frau an Bord, wechselte im Mädchenalter munter die noch unbemauerte innerdeutsche Grenze, um drüben die buntesten Kaugummis zu erstehen. In Episode 6 erzählt Ralf Marschalleck vom Verlust seines Vaters, der sich der Liebe wegen in die BRD absetzte und den Kontakt zur alten Familie abbrach. Am Ende schließlich findet Lars Barthel ein poetisch fließendes Bild, das den Kreis schließt.
Ein Clou ist es, dass die Protagonisten ihre Geschichten aus einem verschwundenen Land jeweils selbst in Szene setzen, mit Animationen, Fotos, Ost-Musik oder szenischen Einschüben. Zwischendurch blendet der Film in ein offenes Gespräch, das die Beteiligten in einem maroden Berliner Altbau führen. Im Vergleich zu den Eigenporträts fällt das kurz angerissene "Klassentreffen" zwar eher mau aus, fördert aber dennoch Interessantes zu Tage und fügt sich stimmig ins Gesamtkonzept ein, bei dem "Ostalgie" übrigens ebenso ausbleibt wie DDR-Bashing. Auch das ist selten schön.

Christian Horn

Details

Deutschland 2015, 87 min
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Lars Barthel, Hannes Schönemann, Gabriele Denecke, Peter Kahane
Drehbuch: Lars Barthel, Hannes Schönemann, Gabriele Denecke, Peter Kahane
Schnitt: Gudrun Steinbrück
Musik: Marcel Noll
Verleih: missingFilms
Darsteller: Lars Barthel, Hannes Schönemann, Gabriele Denecke, Peter Kahane
Kinostart: 25.02.2016

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