Neue Notiz
Mein Großvater Salvador Allende
Privates Porträt einer Ikone
Salvador Allende unternahm 1970 den einzigartigen Versuch, in Chile den Sozialismus auf demokratischem Weg zu etablieren. Er scheiterte am Widerstand der von den USA unterstützten politischen Rechten. Seither gilt er als eine der großen Lichtgestalten der Demokratie in Lateinamerika.
Salvador Allende, der erste demokratisch gewählte sozialistische Präsident Chiles, ist als öffentliche Person verschiedentlich gründlich beleuchtet worden, nicht zuletzt durch die Doku seines Namens von Patricio Guzmán (2004). Marcia Tambutti Allendes Film über ihren Großvater ergänzt eine Perspektive, die bislang fehlte: die des Privaten. Die Regisseurin war noch ein Baby, als Allende beim Militärputsch am 11. September 1973 ermordet wurde, und kannte den in seiner Familie "El Chicho" Genannten wie eine Fremde nur als revolutionäre Ikone. Hartnäckig gräbt die studierte Biologin verloren geglaubte Familienfotos und -filme aus, um damit im Kreise der Überlebenden nach dem familiären Alltag der Allendes vor dem Coup zu fragen. Dabei stößt sie unerwartet auf Hemmnisse. Ihre Großmutter, aber auch Mutter und Tante haben das Exil hindurch unermüdlich die Diktatur Chiles angeklagt und das politische Erbe Allendes am Leben gehalten. Auf Gefühle und Beziehungen angesprochen, sind sie jedoch zunächst nicht sehr kommunikationsbereit, erstarrt im unverarbeiteten persönlichen Schmerz, den Marcia nur nach und nach verstehen lernt. Hier kreuzen sich Privates und Politisches auf eine Weise, die an den Allendes besonders prägnant zutage tritt, aber tausendfach Biografien von Widerständigen teils bis in die dritte Generation geprägt hat. Der Versuch, den Schmerz zu vermeiden, führte zu einem Tabu für private Erinnerungen, zu einer kollektiven Sprachlosigkeit. Im Film spielen die Bildzeugnisse eine interessante wie ambivalente Rolle. Sie fungieren als Katalysatoren, sind als solche aber nicht immer willkommen. Zugleich ist das Bewahren der Fotos und der dazugehörigen Erinnerungen ein Akt des Aufbegehrens gegen die versuchte totale Auslöschung durch das Regime. So wirkt dieses Familienporträt letztlich sowohl privat als auch gesellschaftlich heilsam.
Originaltitel: Allende, mi abuelo Allende
Mexiko / Chile 2015, 90 min
Sprache: Spanisch
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Marcia Tambutti Allende
Drehbuch: Bruni Burres, Paola Castillo, Marcia Tambutti Allende, Valeria Vargas
Kamera: David Bravo, Eduardo Cruz-Coke, Daniel Dávila
Schnitt: Viera Gallo María Teresa, Coti Donoso
Musik: Leonardo Heiblum, Jacobo Lieberman
Verleih: Cine Global
FSK: oA
Kinostart: 01.02.2018
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