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Agonie

Verdachtsanordnung

Ein grausamer Mord ist passiert. Ein Mann hat seine Freundin zerstückelt. Das Motiv ist unklar. AGONIE bietet den Zuschauern zwei mögliche Mörder zur Auswahl an und zwingt damit zum Nachdenken über eigene Vorurteile.

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Eine Texttafel eröffnet den Film wie eine Kurznachricht, die man beiläufig auf dem Smartphone liest. Ihr Inhalt ist schockierend, ihre Form schrecklich nüchtern. Ein junger Mann hat seine Freundin zerstückelt. „Über das Motiv herrscht völlige Unklarheit“, sind die abschließenden Worte dieser Nachricht, die zur analytischen Beobachtung der darauffolgenden Bilder zwingt und damit zu einer Auseinandersetzung über den flüchtigen Blick auf den News-Ticker hinaus. Denn vor der Wirkung kommt die Ursache.
Ein Vergleich mit Gus van Sants Aufarbeitung des Columbine-Amoklaufs ELEPHANT liegt nahe, der die kollektive Suche nach stereotypen Antworten zuspitzte und damit deren Unfähigkeit entlarvte, irgendetwas zu erklären. AGONIE stellt sich jedoch nicht gegen die einfachen Antworten, sondern gegen die vorverurteilende Natur der Klischees, indem er den Zuschauern zwei mögliche Täter anbietet. Über „Die da oben“ und „das System“ zieht einer der beiden Protagonisten gerne in seinen Freestyle Raps her. Doch die Polizisten spuckt Alex nicht an, weil er den Autoritäten trotzen möchte, sondern weil er seinen Vater, wie sich herausstellt selbst Polizist, auf sie projiziert. Auf der anderen Seite der fragmentarischen Erzählung folgt die Kamera Student Christian, der auf den ersten Blick weit weniger als Mörderkandidat in Frage kommt. In der Uni und am Esstisch ist Christian das optische Abziehbild des typischen Außenseiters, in den Gesprächen der fokussierte Schüler, bei seinem Job in einem Kino eine leblose Hülle, und im Bett mit seiner Freundin eine nach einem Ventil suchende Zeitbombe. Am Abend sitzt Christian am Schreibtisch und lernt, um den Erwartungen gerecht zu werden, Alex stürzt sich in das betäubende Nachtleben. Nur ein harter Schnitt kann diese erdrückende Monotonie durchbrechen.

Hardy Zaubitzer

Details

Deutschland/Österreich 2016, 93 min
Genre: Drama
Regie: David Clay Diaz
Drehbuch: David Clay Diaz
Kamera: Julian Krubasik
Schnitt: Lisa Geretschläger
Musik: David Reichelt
Verleih: Zorro / 24 Bilder
Darsteller: Samuel Schneider, Alexander Srtschin, Alexandra Schmidt, Mercedes Echerer, Simon Hatzl
FSK: 16
Kinostart: 15.12.2016

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IMDB

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