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A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe

Mögliche Schieflagen

Die 60-jährige Schauspielerin Anna nimmt einen Job als Sprachtrainerin an. Ihr erster Klient ist der siebzehnjährige Adrian, der ihr kurz zuvor die Handtasche geklaut hatte. Zwischen beiden entwickelt schnell eine spielerisch flirtende Dynamik.

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Anna ist Schauspielerin und hat einen schlechten Tag. Der Job als Hörbuchsprecherin missfällt ihr genauso wie der grapschende Kollege. Sie wirft hin, obwohl die Karriere hakt. Als sie nach Hause geht, wird ihr vor ihrem Stamm-Szene-Café dann noch die Handtasche geklaut. Während in Annas West-Berliner Altbauwohnung alles an ihre Glanzzeiten erinnert, hat sie in Wirklichkeit kaum mehr Rollen. Also lässt sie sich zu einem Nebenjob als Sprachtrainerin überreden, und siehe da, ihr erster Klient ist der Handtaschendieb. Sie soll Adrian, ein Waisenkind in der Obhut des Jugendamts, auf seinen Auftritt mit dem Schultheater vorbereiten. Zwischen den beiden Außenseitern entwickelt sich schnell eine spielerisch flirtende Dynamik. Anna lebt wieder auf und der schüchterne Adrian öffnet sich. Sie wird für ihn der wichtigste Mensch. Das Duo reißt aus, nach Südfrankreich. Es wird romantisch.

WILD-Regisseurin Nicolette Krebitz’ charmant-entrückt ausgelegte Erzählung erinnert in der Tonalität an die Nouvelle Vague. Die Bearbeitung des Themas scheint leider ebenfalls dieser Zeit zu entspringen. Das Liebespaar ist ein 17-jähriger, der nach Aufmerksamkeit hungert, und eine 60-jährige, deren Empowerment daher rührt, dass sie in dieser Beziehung der Star ist. Anna prangert zwar das Patriarchat an und wehrt die sexuellen Avancen Adrians (anfangs) ab, mögliche Schieflagen in dem was folgt, werden aber ignoriert. Als hätte es nie einen #MeToo gegeben. Der Rahmen ist stimmig, mit einer tollen Sophie Rois als Anna, überraschenden Nebenbesetzungen wie Udo Kier als Vermieter und größter Fan und schön auserzählten Details bis hin zum Kostümbild. Anna und Adrian preschen aber in eine Liebesgeschichte hinein, die Fragen aufwirft, denen sich der Film nicht ganz stellen mag.

Clarissa Lempp

Details

Originaltitel: AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe
Deutschland 2022, 105 min
Genre: Drama
Regie: Nicolette Krebitz
Drehbuch: Nicolette Krebitz
Kamera: Reinhold Vorschneider
Schnitt: Bettina Böhler
Verleih: Port-Au-Prince Pictures
Darsteller: Sophie Rois, Udo Kier, Milan Herms
Kinostart: 16.06.2022

Website
IMDB

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